TABRITZ

10.06.2013

 Tabritz LadenTabriz ist die erste groessere Stadt, die wir im Iran besuchen, eigentlich die erste richtige Stadt seit Diyabakir und natuerlich graut uns gleich mal vor der Suche nach einem Campingplatz. Wir hatten am Tag zuvor schon eine unfreiwillige Stadtrundfahrt gemacht, da wir auf dem Weg nach Kandovan die Ausfahrt von der Ring-Road verpasst haben und daraufhin quer durch die Stadt fuhren. Jetzt sind wir an der Uni und auf unsere Frage nach einem Campingplatz heisst es immer einstimmig: Elgoli Park. Das ist gut zu wissen, nur auf der anderen Seite der Stadt, also nochmal durch.


Im Park finden wir tatsaechlich das Camp, es ist ein Platz zum zelten und es werden auch Zelte vermietet. Wir stellen Pingu auf dem Parkplatz ab und schauen den iranischen Familien beim Picknicken zu. Iraner picknicken immer und ueberall, es wird einfach eine grosse Decke ausgepackt und mitgebrachtes Essen und der Teekocher. Die meisten haben auch noch eine Wasserpfeife dabei, es soll ja bitte schoen gemuetlich sein. Optimal ist es nateuerlich im Park aber wir haben auch schon Leute direkt an der Hauptstrasse gesehen mit ihrem Picknick. Auch Campen ist sehr beliebt und normalerweise ist es auch erlaubt, wild zu zelten, wie man uns schon oefter versicherte.


Der Park besteht aus einem grossen kuenstlichen See, auf dem Tretboote in Form von kitschigen Schwaenen fahren. Also gut, der lieben Ruhe willen, Vasco hat mal wieder gewonnen, wir gehen Schwan fahren. Vasco ist mit seinen blonden Haaren die Attraktion, ein Kuenstler im Park will ihn sogar malen und wir wundern uns, wie lange er stillsitzen kann...

 
Waehrenddessen treffen wir eine Familie aus Qom, der Mann arbeitet in einem Steuerbuero und spricht gut Englisch. Er meint, die wirtschaftliche Situation im Land sei sehr schlecht,  viele Leute seien unzufrieden und leiden unter den Sanktionen. Der stark gestiegene Benzinpreis hat zur Folge, dass sich viele kein Auto mehr leisten koennen und auch bei den Lebensmitteln merkt man die Inflation.


GelehrterAm naechsten Tag fahren wir mit dem Bus zum Bazar, der ist Weltkulturerbe und richtig gross und alt. Aber zuerst zur Busfahrt. Die Geschlechtertrennung wird hier praktiziert, Frauen sitzen hinten, hinter einer Trennstange, Maenner vorn. Das die Theorie. Wenn es zu voll wird, stehen doch alle bunt gemischt und der Kassierer sitzt meistens zwischen den Frauen.
Nachdem wir auf dem Bazar gefunden haben, wonach wir gesucht haben und noch vieles andere, was der Bus noch verkraften kann (der Kinderwagen als Lastesel hat sich wieder mal bewaehrt), zeigt uns Nasser vom Tourist Office ein Restaurant in einem Keller, das wir ohne ihn nie gefunden haetten. Wir essen was alle essen, ein Toepfchen mit Lamm und Kartoffeln in Sosse und dazu Fladenbrot. Der Mann zeigt uns netterweise wie man es isst. Zuerst die Sosse abgiessen, ein paar Stuecke Brot reinwerfen und ausloeffeln. Den Rest mit dem Moerser zerdruecken und ins Fladenbrot wickeln. Es ist eine Zeremonie. Danach wird Tee getrunken und zum Schluss die Wasserpfeife geraucht.


Wir machen uns mit vollem Magen auf den Weg zur Blauen Moschee. Sie wurde bei einem Erdbeben fast voellig zerstoert. Ueber 200 Jahre lang hat sich niemand an dem Truemmerhaufen gestoert, bis man so vor 50 Jahren auf die Idee kam, sie wieder aufzubauen. Die urspruenglich blaue Farbe der Fassade blieb dabei leider auf der Strecke. Im Park vor der Moschee treffen wir drei Studenten und trotz der Vorsaetze, politische Themen zu meiden, kommen wir unweigerlich auf die kurz
bevorstehenden Wahlen zu sprechen. Einer der drei meint, klar wird es Proteste gegen. Die Leute sind unzufrieden wegen der Sanktionen und deren Folgen, schaetzungsweise 70 Prozent der Iraner wollen das Land verlassen. Und schaut, ich bin nicht religioes, ich kann mit dem ganzen Quatsch vom islamischen Staat nichts anfangen. Klare Worte einer Minderheit, aber die gibt es eben auch.
Zurueck im Elgoli-Park sehen wir im Fernsehen Bilder der brutalen Demonstrationen in der Tuerkei und sind doch froh hier zu sein, zumindest vorlaeufig. Am Abend sitze ich am See, um meine Mails zu lesen, da setzt sich ein Mann neben mich und fragt erst die ueblichen Fragen: woher, wohin, wie heisst du? Und dann ' Stimmt es eigentlich, dass die Deutschen glauben, alle Iraner seinen Terroristen?' Ich sage, nein, natuerlich nicht und frage mich, woher nur diese Frage komnt. Eines ist klar, wir wissen viel zu wenig von diesem Land und seinen Menschen und daher ruehren sicherlich viele Vorurteile. Nur soviel: Terroristen haben wir bisher noch keine getroffen!