Zusammenfassung und Epilog von Dr. Johann Angerler selbst
In dieser Untersuchung wurde der Versuch unternommen, ausgehend von den Begriffen bius, parbaringin und paniaran Aspekte der sozial-politischen und religiösen Ordnung der Tobabatak zu analysieren, um zu Einsichten hinsichtlich vorkolonialer (vor 1825) Verhältnisse zu kommen. Obwohl nicht angenommen wird, dass die Tobabatak in früheren Jahrhunderten in völliger Isolation gelebt hätten, kann doch davon ausgegangen werden, dass die Intensität der Einflüsse von Aussen vor Beginn des Padri-Krieges (der Teile des zentralen Bataklandes verwüstet ließ und die protokoloniale Periode einleitete, innerhalb derer die Einflussnahme von Aussen mehr und mehr zunahm, bis hin zur Eingliederung in das niederländische Kolonialreich 1908) wesentlich geringer war. Aus diesem Grund ist das Bild, welches wir von dieser Gesellschaft und ihrer Ordnung zur Zeit ihrer politischen Selbständigkeit und Freiheit gewinnen, von großer Bedeutung, denn es handelt sich um eine intern aufrechterhaltene Gesellschaftsordnung, die bei all den komplexen Anforderungen, denen sie gerecht werden musste, immer (soweit wir das wissen) ohne die Einrichtung eines Staates, der Autorität und des Machtmonopols einer Zentralinstanz auskommen konnte, und trotzdem Einrichtungen hervorbringen und aufrechterhalten konnte, wie Gewaltenteilung, allgemeine Gültigkeit des Rechts und eine spezifische Form der Demokratie, innerhalb derer die Partizipation Aller in ihrem unmittelbarem Lebensbereich (Dorf), sowie Repräsentation auf höheren Ebenen gesichert war.
In der Literatur finden wir bius zumeist als Opfergemeinschaft, die parbaringin als Priester und paniaran, soweit sie überhaupt wahrgenommen wurden, als Priesterinnen beschrieben. Diese Charakterisierung ist zwar an sich nicht unrichtig, blendet aber die sozial-politische Dimension dieser Einrichtungen völlig aus. Diese Untersuchung hat gezeigt, dass es ohne Mitberücksichtigung des sozial-politischen Aspektes von bius, parbaringin und paniaran als gesellschaftlich relevante Einrichtungen nicht möglich ist, die spezifische Natur der sozial-politischen Ordnung (und letztlich auch der Religion selbst) der unabhängigen Tobabatak zu verstehen.
Wenngleich die Analyse der sozial-politischen Dimension als erstes Anliegen dieser Untersuchung verstanden werden kann und besonders hervorgehoben wird, soll doch nicht vergessen werden, dass bius, parbaringin und paniaran in historischer Perspektive nicht von der Religion getrennt werden können, mag auch die aus analytischen Gründen notwendige Unterscheidung der Sphären im Text manchmal diesen Eindruck erwecken. Es wurden in dieser Arbeit auch Aspekte der Religion analysiert und es wurde gezeigt, dass es mittels der hier angewandten Methoden der Feldforschung und Textanalyse möglich ist, auf Basis gut gesicherter Ausgangsdaten (welche teils aus altbatakschen Texten stammen) Einsichten in die religiöse und ideologische Welt der vorkolonialen Batak zu erlangen (für eine Zusammenfassung hier erarbeiteter Einsichten hinsichtlich von Aspekten der religiösen Welt von bius Sihotang vgl. 8.8.).
Hinsichtlich der allgemeine Situation der vorkolonialen Gesellschaft der Tobabatak im zentralen Batakland können nach dieser Analyse zusammenfassend folgende Angaben gemacht werden: Eine sehr dichte Bevölkerung (in den Ballungsräumen, den eigentlichen Wohngebieten 500-1000 Personen pro KM2) betrieb auf vielen fruchtbaren Schwemmebenen Reisbau mit künstlicher Bewässerung, welche in einer Weise organisiert war, dass es berechtigt ist, von hydraulischer Agrikultur und Organisation im Sinne von Wittfogel zu sprechen. Die dadurch erwirtschafteten Überschüsse ermöglichten nicht nur die Ernährung der dichten Bevölkerung in den fruchtbaren Schwemmlandschaften und die Finanzierung langdauernder ritueller Aktivitäten, sondern auch die Ernährung von Teilen der Bevölkerung, die in weniger fruchtbaren Gebieten wohnte. Die Verteilung der Nahrungsmittel geschah mittels friedlichen Austauschs über ein durch allgemein anerkannte Gesetze geregeltes System von jeweils in Viertagerhythmus stattfindenden Märkten. Über dieses Marktsystem - war eigentlich dessen interne Bedeutung am größten - waren die Batak auch mit dem internationalen Fernhandel verbunden.
Weder die regelmäßigen Überschüsse in bestimmten Regionen, noch die guten und schnellen Transportmöglichkeiten, die vor allem das Wasser des Tobasees bot, noch der Besitz von Feuerwaffen, noch der Besitz eines effizienten Schriftsystems wurden in den Dienst der Errichtung einer staatlichen Organisationsform gestellt. Trotz des Fehlens der staatlichen Organisationsform war es der vorkolonialen Gesellschaft der Tobabatak möglich, Konflikte zumeist auf geregelte Weise und ohne verheerende Konsequenzen auszutragen. Wenngleich ein Konflikt in höchster Instanz auch mit Waffengewalt zu einer Entscheidung geführt werden konnte, war aufgrund der allgemein anerkannten Gesetzeslage Eroberungskrieg unmöglich.
Auch die Notwendigkeiten der Zusammenarbeit beim Bau der oft aufwendigen Bewässerungsanlagen (die jahrelang dauern konnten), der Erhaltung derselben sowie der kontinuierlich gerechten Verteilung des oft knappen Bewässerungswassers haben keinen Staat hervorgebracht. Die Tobabatak verfügten über alternative Methoden und Einrichtungen die zur Erfüllung dieser Aufgaben notwendige gesellschaftliche Disziplin durchzusetzen.
Zu der Frage, auf welche Weise in der Gesellschaft der Tobabatak diese organisatorischen Leistungen bei gleichzeitigem Verzicht auf die Machtstrukturen eines Staates erbracht wurden, sei zunächst auf die in dieser Untersuchung beschriebenen fünf Organisationsprinzipien gewiesen: Hier sei (1.) das segmentäre lineage- oder marga-System genannt, über welches alle Mitglieder der Gesellschaft Teil einer (wahren oder fiktiven) exogamen Abstammungsgruppe (bzw. Klassifikationskategorie für die Möglichkeit oder Nichtmöglichkeit einer Heiratsbeziehung) sind, welche wiederum in ein zusammenhängendes, letztendlich auf ein einziges Ahnenpaar zurückgeführtes Abstammungssystem integriert ist.
Weiters ist (2.) das asymmetrische Allianzsystem, in dem die Beziehungen zwischen Gruppen von Brautgebern und Brautnehmern geregelt sind, von großer Bedeutung für die Organisation der Gesellschaft. Diese beiden Organisationsprinzipien, häufig als das eigentliche Verwandtschaftssystem beschrieben, regeln wesentliche Aspekte des Zusammenlebens und tragen viel zur sozial-politischen Stabilität der Gesellschaft bei. Die sozial-politische Ordnung der Tobabatak an sich lässt sich aber nicht darauf reduzieren, weil daraus keine kontinuierlichen und stabilen Führungseinrichtungen für örtliche Gruppen, die zusammenarbeiten müssen, entstehen können.
In der vorkolonialen Gesellschaft der Tobabatak spielte auch noch (3.) das Präzedenzprinzip, wonach u.a. den Gründern einer bestimmten gesellschaftlich relevanten Einrichtung (z.B. Dorf, Bewässerungsanlage etc.) und ihren Nachfolgern besondere spirituell-rituelle wie auch sozial-politische Positionen zustanden, eine wichtige Rolle. Dieses Organisationsprinzip ermöglichte unter anderem die allgemein anerkannte Legalität von Führungspositionen, welche (4.) in der Regel doppelt besetzt sein, bzw. von Vertretern zweier Gruppen eingenommen werden sollten.
Zuletzt bleibt noch festzuhalten, dass das wesentliche Modell, nach dem sich die Tobabatak als räumlich manifeste Gruppe organisierten, (5.) das Haus ist. Sowohl ein einzelnes Dorf, wie auch eine ganze bius-Organisation (oft eine Talschaft und Bewässerungsgemeinschaft von einigen Tausenden Mitgliedern) und die dazwischen liegenden Organisationsebenen sind als Hausorganisationen zu verstehen und sind somit nicht in jeder Hinsicht Territorialorganisationen gleichzusetzen. Selbst die Einheit ganzer Großregionen konnte mittels des Prinzips der Hausorganisation (welche Hausorganisationen auf niedrigerer Ebene umfassen können) ausgedrückt werden. Ein Haus dieser Art muss auf jeder Ebene unterschiedlichen Gruppen Platz bieten.
Im Kontext dieser Hausorganisationen finden wir die Position der parbaringin und der paniaran, ihrer Frauen, realisiert. Beide gelten als die Nachfolger von Gründern in spiritueller wie auch in rechtlich-sozial-politischer Hinsicht. Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die Existenz aller fünf hier genannten Organisationsprinzipien auch in anderen Regionen des indonesischen Studienfeldes nachgewiesen werden kann und dass es anderswo auch Parallelen für die Position der parbaringin gibt. Hier wurde als Beispiel die besonders aus Ostindonesien bekannte Einrichtung der tuan tanah genannt. Nur die besondere Form, in der die Organisationsprinzipien angewandt werden, kann als spezifisch tobabataksch bezeichnet werden. Der oft große Umfang der parbaringin-Organisationen ist sehr wahrscheinlich in Beziehung zu den Notwendigkeiten der Organisation der künstlichen Bewässerung zu sehen.
Alle Tobabatak gelten als die ursprünglichen menschlichen Bewohner des zentralen Bataklandes. Das in der Studienfeldherangehensweise oft gebrauchte Konzept des Gegensatzpaares Authochtone-Immigranten zeigt aber doch seine Relevanz angelegentlich der Analyse eines (rituell ausgeführten) Gründungsaktes, in dem die Weichen für zukünftige Beziehungen gestellt werden. Dies wurde hier am Beispiel der Analyse eines Dorfgründungsrituals demonstriert. Zu dieser Gelegenheit arbeiten zwei Gruppen, eine jüngere und eine ältere, aus derselben marga, plus eine weitere Gruppe aus einer anderen, einer brautnehmenden Gruppe zusammen. Der eigentliche Initiativenehmer, welcher der älteren Gruppe angehören muss, und seine Frau legen das erste Opfer, mittels dessen die spirituellen Bewohner des Landes, die eigentlichen Autochthonen, um Zustimmung und Segen für die Dorfgründung gebeten werden (lässt sich aus bestimmten Zeichen ablesen, dass dieser Segen nicht erteilt wird, so wird die Gründung an der ausgewählten Stelle nicht fortgesetzt). Beide, sowohl Mann wie Frau gelten als die eigentlichen Dorfgründer mit allen damit verbundenen spirituellen wie rechtlich-sozial-politischen Konsequenzen.
Sie sind allerdings nicht die einzigen Dorfgründer, auch die Vertreter der jüngeren Gruppe und der Brautnehmer sowie deren Frauen legen Opfer und nehmen Kontakt mit den spirituellen Bewohnern des Landes auf. Auch sie gelten in der Folge als Mitbegründer des Dorfes mit all den damit verbundenen Konsequenzen. Ist die Gründung über längere Zeit hinweg erfolgreich, wird vielleicht von diesem Dorf ausgehend ein (oder mehrere) weiteres Dorf gegründet, und erlangt diese Gemeinschaft (die sich auch als Hausgemeinschaft sieht) den Status eines bius-Anteils, so wird der nach einem spezifischem, juridisch und rituell korrekten Auswahl- und Einsetzungsverfahren von der Gemeinschaft bestimmte Nachfolger des eigentlichen Gründers seine (Haus-) Gemeinschaft als parbaringin innerhalb der parbaringin-Organisation, deren Mitglied er wird, auf bius-Ebene vertreten. Gleichzeitig ist er als Mitglied der parbaringin-Organisation auch Mitglied eines Hauses auf höherer Ebene (i.e. des bius als Haus) und auch den Interessen der gesamten bius-Gemeinschaft verpflichtet, die (so das Ideal) denen der Subgemeinschaft im Zweifelsfall übergeordnet zu sein haben.
Das korrekte, (im Idealfall) nicht korrumpierbare Auswahl- und Einsetzungsverfahren, sowie die Legalität der Position des parbaringin als Repräsentanten seiner Gruppe sowie die mit der Position verbundene Sakralität und Unantastbarkeit seiner Person sind eng mit einer Konzeption verbunden, zu der wir über die Analyse des Begriffes sahala finden können.
Der Begriff sahala kann verschiedene Bedeutungen annehmen; hier allerdings ist damit die spirituelle Essenz des Gründerahnen gemeint, dem gegenüber die Gemeinschaft in einer unvergütbaren Schuld steht. Ihm ist es zu verdanken, dass diese Gemeinschaft als Solche existiert und ihm und in der Folge seinen Nachfolgern stehen innerhalb der Gemeinschaft die Position eines primus inter pares (die allerdings eine geheiligte Position ist – dies ist in der tobabatakschen Kultur kein Widerspruch) zu. Führungspositionen können in der Gesellschaft der Tobabatak in der Regel auf Austauschbeziehungen und das Prinzip der unvergütbaren Schuld (eine Konstellation, welche angelegentlich des Gründungsrituals bewusst geschaffen wird) zurückgeführt werden (und nicht auf militärische Leistungen).
Wenn die Gemeinschaft richtig gehandelt hat, wenn sie den richtigen Kandidaten für das Amt des parbaringin ausgewählt und rituell korrekt eingesetzt hat, so wird (so das Ideal) das sahala des Gründers mit dem Amtsträger sein, ihn leiten und zum Wohle seiner Gruppe wie der bius-Gemeinschaft handeln lassen, wie ihm auch die Autorität geben um erfolgreich führen zu können. Der Inhaber der Position eines parbaringin ist aber nicht nur der spirituellen Führung des sahala verpflichtet, sondern muss sich auch an zahlreiche Regeln und Verbotsbestimmungen halten. Auf diese Weise wird er immer unter Kontrolle der Gesellschaft bleiben und seine Autorität nicht missbrauchen können. Auch wird der parbaringin trotz der Sakralität seiner Position sich nicht besonders auffallend von anderen Mitgliedern der Gesellschaft unterscheiden und wie diese selbst seine Felder bestellen.
Für die Nachfolger der Repräsentanten der jüngeren an der ursprünglichen Gründung beteiligten Gruppe ist eine andere Aufgabe vorgesehen. In diesen Gruppen wird die Position des raja doli (so die Bezeichnung in der Samosirregion) weitervererbt. Auch hier müssen die Inhaber der Position dem Ideal nach auf juridisch und rituell korrekte Weise ausgewählt und eingesetzt werden, wenngleich, wie oft berichtet wird, in der Praxis hier auch einiger Konkurrenzstreit im Spiel sein mag. Und auch mit ihnen wird das sahala des Gründerahnens sein. Die raja doli haben einen anderen Aufgabenbereich als die parbaringin. Während Letztere sich in keinerlei Kampfhandlungen involvieren, ja nicht einmal Waffen berühren dürfen, und sich als friedliche Vermittler einsetzen sollen, sind die raja doli mit der physischen, der kriegerischen Verteidigung ihrer Gemeinschaft assoziiert.
Die raja doli der verschiedenen Subgruppen einer bius-Organisation gehören als partahi, als Ratsleute ebenfalls zur der bius-Führung. Beide Kategorien von Anführern haben unterschiedliche Aufgaben zu erfüllen. Die raja doli sorgen für die Sicherheit und die öffentliche Ordnung, die regelmäßig anfallende Rechtssprechung, treten auf, wenn tatkräftiges Handeln erforderlich ist (wie etwa bei der Durchführung von Bewässerungsbauvorhaben und bei anderen praktischen Angelegenheiten des gesellschaftlichen Zusammenlebens), unternehmen unter Umständen potentiell gefährliche Expeditionen sowohl in rituellem Kontext wie auch im Kontext des Fernhandels usw.
Dahingegen ist der Aufgabenbereich der parbaringin ganz besonders mit der Aufrechterhaltung des von der Gemeinschaft finanzierten regelmäßigen Kultes, des jährlichen rituellen Zyklus, mittels dessen die landwirtschaftlichen Aufgaben, Reisbau, wie auch Erhaltung der Bewässerungsanlagen gesteuert werden, verbunden.
Darüber hinaus bilden die parbaringin-Organisationen gesetzgebende Körperschaften und entscheiden über grundsätzliche Standpunkte. In höchster Instanz können sie auch zu Richtern werden, wenn es um Fragen des Zugangs zu Land (welches die primäre ökonomische Ressource ist) geht. Ihnen ist auch die Ausmessung der Landanteile und Feststellung der Grenzen (wenn dies erforderlich ist) anvertraut. Sie müssen involviert sein in alle Entscheidungen von großer Tragweite (z.B. Neubau von Bewässerungsanlagen), und sie (bzw. die Spezialisten in ihren Reihen) sind die Bewahrer von technischem Wissen. Die raja bondar, die Wassermeister, sind in der Regel Mitglieder der parbaringin-Organisation, ebenso wie manche schriftkundige datu (gelehrte Spezialisten), die sich auf Astronomie, Kenntnis der bius-Rituale in Beziehung zum Landbau, der bius-Überlieferung etc. spezialisiert haben. Über die eigene bius-Organisation hinaus unterhalten die parbaringin auch ein Netzwerk an überregionalen ritualisierten Beziehungen (mit anderen bius-Organisationen wie mit den so genannten Priesterfürsten Singamangaraja und Ompu Palti Raja [welche verehrt wurden, aber nicht als politische Herrscher zu verstehen sind]), wie einzelne parbaringin auch als unparteiische Schiedsrichter und Vermittler im Falle von Konflikten in andere Regionen gerufen werden können.
In der Beziehung zwischen beiden Kategorien von Anführern stehen nach den Regeln der Präzedenz die parbaringin höher, und es müssen sich (wiederum: so das Ideal) die raja doli, denen mehr konkrete Machtmittel zur Verfügung stehen, den grundsätzlichen Entscheidungen der parbaringin als Körperschaft fügen. Die grundsätzlichen Anordnungen der parbaringin-Organisation bilden auch die legale Grundlage für das Handeln der raja doli. Von dieser Verfassung her ist es auch für die raja doli nicht möglich, ihre Position zu missbrauchen und ihr mittels einer militärischen Gefolgschaft einen grundsätzlich anderen Charakter zu geben. Diese Verfassung ist in den Wirren der protokolonialen Phase unter Druck zu stehen gekommen und wurde in der Kolonialzeit gänzlich umgeworfen, ist aber bei den Spezialisten im zentralen Batakland grundsätzlich auch heute noch bekannt.
Die parbaringin-Organisation, der auch die Repräsentanten von Gruppen von Brautnehmern (insbesondere, wenn diese selbständig wohnen, bzw. Dörfer gegründet haben) angehören, ist hierarchisch geordnet. Die Kriterien für das Zustandekommen der Ordnung sind zumeist in den komplexen Beziehungen von Seniorität und Juniorität unter den verschiedenen Gruppen der ursprünglichen Gründer-marga’s zu suchen. Der Begriff marga ist allerdings hauptsächlich als Ordnungskriterium zu verstehen, denn eine jede konkrete Gruppe ist als Hausgemeinschaft organisiert und eine solche muss immer aus den Mitgliedern verschiedener marga zusammengesetzt sein. Es kann der Fall sein, dass die eine Hausgemeinschaft (ein oder mehrere Dörfer) einschließlich brautnehmender marga (die nur auf lokaler Ebene partizipieren) von dem Mitglied einer der bius-Gründer-marga in der bius-Organisation vertreten wird, und auch dass die benachbarte Hausgemeinschaft von einem Mitglied der erwähnten brautnehmenden marga vertreten wird, während Mitglieder einer bius-Gründer-marga dort einwohnen und selbst in einer brautnehmenden Beziehung stehen, in der sie nur auf lokaler Ebene partizipieren. Entscheidend ist, welche Gruppe ursprünglich als Initiativenehmer bei der Gründung der jeweiligen Hausorganisation aufgetreten ist.
Für den Fall, dass die Beziehungen der Gruppen innerhalb der bius-Organisation deutlich sind, ist auch die Hierarchie innerhalb der parbaringin-Organisation deutlich und kann Ruhe bringen in eine ansonsten von egalitären und wetteifernden Tendenzen geprägte Sozialordnung.
Die Frauenorganisation der paniaran ist nicht in jeder Hinsicht eine Widerspiegelung der parbaringin-Organisation. Obwohl die paniaran zum Großteil (aber nicht ausschließlich) Ehefrauen der parbaringin sind, unterscheidet sich deren Organisation sowohl in ihrem gesellschaftlichen Aufgabenbereich wie auch in ihrem Charakter. Auch ihre interne Hierarchie kommt nicht nach exakt denselben Regeln zustande.
Die Ehefrauen von parbaringin, welche die Nachfolger von Gründern sind, sind die Nachfolgerinnen der Gründerinnen, die zusammen mit ihren Ehemännern über die Darbringung des Opfers Kontakt mit den spirituellen Bewohnern des Gründungsortes aufgenommen haben und eine Beziehung mit diesen eingegangen sind. Es wird von der Ehefrau eines parbaringin erwartet, dass nach einiger Ausbildungszeit innerhalb der paniaran-Organisation ihre medialen Fähigkeiten zur Entwicklung kommen und es zu Kontakt mit dem sahala, der spirituellen Essenz der ursprünglichen Gründerin kommt. Im Unterschied zu den parbaringin, die von dem sahala geleitet werden (und nur selten besessen), wird von den paniaran erwartet, dass sie als Medien auftreten und dass aus ihren Mund konkrete Aussagen der Ahnen und anderer höherer Wesen zu hören sind.
Zu den öffentlichen Aufgaben der paniaran gehören u.a. bestimmte rituelle Aufgaben im regelmäßigen, mit dem Landbau verbundenen Kult, Regenrufen bei Trockenheit und die Teilnahme an Heilungsritualen. Sie gelten nicht nur wie die parbaringin als sakral, sondern werden in bestimmten rituellen Kontexten auch selbst Objekt von Verehrung (dies wurde noch während der Kolonialzeit dokumentiert), als Repräsentantinnen der Göttin Boru Deang Parujar, der spirituellen Repräsentation der Erde und Verkörperung weiblicher Sakralität, welche wesentlich mit der geheimen Welt des Jenseits (die jede Frau in sich trägt), der letztendlichen Quelle alles Lebens verbunden ist.
In sozial-politischer Hinsicht weisen die zwar spärlichen, aber deutlichen Quellen darauf hin, dass die paniaran als Frauenorganisation durchaus mit Effektivität für die Einhaltung der Rechte von Frauen auftreten konnten. Organisatorische Fähigkeiten und effektives Vorgehen im Dienste der Verteidigung der Rechte von Frauen, welche diesen im Kontext der bius-Gemeinschaft zustehen, haben Frauen von parbaringin in jüngster Zeit auch angesichts existenzieller Bedrohung von Aussen unter Beweis gestellt.
Der Charakter der sozial-politischen Organisation der Tobabatak kann mit strukturellen Voraussetzungen und der Beschreibung von Organisationsprinzipien nicht befriedigend analysiert werden. Es geht daraus nicht hervor, warum nicht nur Staatsbildung an sich unterblieben ist, sondern (wie historisch nachweisbar ist) auch konsequent alle Schritte in diese Richtung unterbunden worden waren, bzw. wenn bereits gesetzt, wieder rückgängig gemacht wurden. Dass dies keineswegs selbstverständlich ist, zeigt ein Blick zu den Nachbarn der Tobabatak, den Simalungunbatak, bei denen wir dieselben strukturellen Voraussetzungen und die Existenz derselben Organisationsprinzipien nachweisen können. Doch waren in dieser Gesellschaft bereits Schritte in Richtung Staatsentstehung gemacht, wie es die (bereits gesellschaftlich anerkannte) Konzentration von Macht in den Händen von Anführern oder Herrschern, die nicht mehr der Kontrolle der Gesellschaft unterlagen und die Möglichkeit des territorialen Eroberungskrieges sind.
Um erklären zu können, warum dies bei den Tobabatak nicht geschehen ist, wird hier die Hypothese vom ‚Willen zur Demokratie’ eingeführt. Es wird vorausgesetzt, dass es innerhalb dieser Gesellschaft (und wohl auch vieler anderer innerhalb des indonesischen Studienfeldes) darum ging, ein Ideal aufrechtzuerhalten, welches eben als Wille zur Demokratie umschrieben werden kann. Die beschriebenen Organisationsprinzipien sind geeignete Instrumente, eine demokratische Ordnung (als welche die tobabataksche Ordnung zu verstehen ist) bei gleichzeitiger Erfüllung aller komplexen Aufgaben aufrecht zu erhalten. Der Wille zur Demokratie ist aber die Voraussetzung, dass dies auch geschieht. Es geht, wie gesagt, mit den gleichen Organisationsprinzipien auch anders.
Es wird nicht das Ideal von absoluter Gleichheit, von Egalität angestrebt (wohl aber ein gewisses Maß davon) und man akzeptiert gesellschaftliche Asymmetrie und Hierarchie. Man weiß um Nutzen und Notwendigkeit einer geregelten und geordneten Führung, man weiß aber auch um die Gefahren von nicht kontrollierter Macht. Man befolgt die Anordnungen der parbaringin, man gibt ihnen aber keine militärischen Machtmittel, die sie missbrauchen könnten. Man gibt den raja doli die Möglichkeit militärische Mittel zu verwenden, macht die Legalität ihres Handelns aber von den parbaringin abhängig. Auf diese Weise konnten selbst die Anforderungen einer hydraulischer Organisation der Landwirtschaft erfüllt werden, ohne dass sich notwendigerweise eine Despotie entwickeln musste.
Auf diese Weise blieb den Tobabatak in vorkolonialer Zeit bei all den Unsicherheiten des Lebens und des Drucks sozialer Regulierung die essentielle Freiheit der Partizipation in allen wesentlichen Angelegenheiten in ihrem Lebensraum und das Wissen, dass sie und ihre Hausgemeinschaft auch in den höheren Ebenen der sozial-politischen Organisation und Opfergemeinschaft, der bius-Ebene repräsentiert waren, wie das eben für eine demokratischen Ordnung kennzeichnend ist. Dazu gehörte auch, dass es eine Organisation gab, an die Frauen sich wenden konnten, und die im Bedarfsfall dafür eintrat, dass die Rechte der Frauen auch eingehalten wurden.
Heute lebt ein Großteil der Millionen Tobabatak außerhalb des zentralen Bataklandes, viele davon in urbanen Gebieten. Die meisten von ihnen wissen nicht mehr viel von der alten bius-Ordnung. Doch ist von Interesse, dass nach der Unabhängigkeit Indonesiens, nach den großen Migrationswellen aus dem zentralen Batakland heraus, der Begriff dalihan na tolu, die drei Herdsteine, die zur Metapher für das tobabataksche Allianzsystem wurden, von den urbanen Tobabatak ausgewählt wurden um den eigenen Kindern wie auch Außenstehenden das bataksche Sozialsystem zu erklären. Heute reicht die Bedeutung dieser Metapher noch viel weiter. Im tobabatakschen Erziehungsdiskurs finden wir sie auch gebraucht um Beziehungen außerhalb der tobabatakschen sozialen Welt zu erklären. So z.B. die Beziehungen in Betrieben. In diesem Erklärungsmodell steht Ego Vorgesetzten gegenüber, die er nach dem Vorbild der Beziehung zu Brautgebern, denen man Ehrerbietung und Gehorsam schuldig ist, sehen sollte. Ego steht auch Untergebenen gegenüber, die wie Brautnehmer mit Geduld, Freundlichkeit und Nachsicht behandelt werden sollten, von denen man aber auch fordern kann.
Es mag diese Metapher vielleicht gar nicht im zentralen Batakland entstanden sein und auch kein adäquates Modell der Allianzbeziehungen darstellen, seine Bedeutung im heutigen Diskurs um die kulturelle Identität der Tobabatak ist enorm. Dies muss kein Zufall sein. In dieses Modell ist auf minimale Weise außerordentlich große Symbolkraft verpackt. Abgesehen von der Intention die relative asymmetrische Beziehung zwischen Ego, seinen Brautgebern und seinen Brautnehmern zu beschreiben, handelt es sich auch um ein Modell, welches Hierarchie und Gleichberechtigung gleichzeitig relativieren und ausdrücken kann. Es ist keine Spur eines Hinweises auf die alte bius-Ordnung darin enthalten, ja es nimmt nicht einmal Rücksicht auf die Tatsache, dass das tobabataksche zirkulierende Konnubium kein Dreiklansystem sein kann (es sind zumindest fünf Gruppen dafür nötig), und doch kann es eines der vielleicht höchsten Ideale der tobabatakschen Kultur ausdrücken. Dieses Ideal mag als eine Transformation des ‚Willens zur Demokratie’ aus der Zeit politischer Unabhängigkeit in die heutige Zeit verstanden werden.
Seit gut hundert Jahren gibt es kein politisch selbständiges Batakland mehr. Die Tobabatak leben heute innerhalb des indonesischen Staates, haben diese Situation akzeptiert und sich gut darin zurechtgefunden. Sie freuen sich über die jüngste Entwicklung hin zur Demokratie ihres Staates auf die gleich Weise, wie die meisten anderen Bewohner Indonesiens. Aber den eigenen, distinkten kulturellen Hintergrund, das Sozialsystem und das Gefühl für ethnische Identität bringt man immer noch gern mit der für diese Kultur spezifischen Vereinigung und Überwindung des Widerspruchs von Hierarchie und Gleichberechtigung in Verbindung.