Wie „ein freier Fall an den Anfang der Welt“
vom 15. August 2014; aus der Redaktion der Eckernförder Zeitung
Schleswiger Ärztin Dr. Silke Bertram berichtet über ihre vier intensiven Jahre auf Papua-Neuguinea
„Gehen war leicht – zurückkommen die schlimmste Herausforderung“, sagte die Ärztin Dr.Silke Bertram zum Ende ihres Vortrags in der Stadtbücherei. Im Rahmen von „LesArt – Literatur in Eckernförde“ berichtete sie von innerem und äußerem Erleben in Papua-Neuguinea, genauer: auf „ihrer“ Insel Karkar. Auf diese kleine Vulkaninsel im Pazifik hatte es die Gynäkologin und ihre Familie für vier Jahre verschlagen, als sie im Rahmen der Entwicklungshilfe ins Ausland ging.
Sie wurde „Ärztin für alles“, ihr Mann, ein Architekt, wollte das Krankenhaus auf Karkar umbauen, die Kinder Luis, Mira, Filip (damals 7, 5 und ein Jahr) verbrachten dort außergewöhnliche, prägende Kindheitsjahre.
Rückblickend weiß Silke Bertram, dass sie von 2001 bis 2005 so gut wie unvorbereitet in diese Jahre starteten, auf Guinea völlig Unerwartetes vorfanden und nachhaltig verändert nach Deutschland zurückkehrten.
Obwohl die Ärztin ihr Buch „Im Puls Papuas – Wo ich meine Seele vergaß“ mitbrachte, las sie nicht vor. Sie berichtete live, bebilderte ihre fesselnden Worte mit Fotos, machte keine Pause, und nach rund zweieinhalb intensiven Stunden war wohl jeder Besucher völlig gefangen und „angezündet“.
Kein lieblicher Tourismus wartete sondern knochenhartes Leben randvoll mit Andersartigkeiten – ein „Kulturschock“. „Es ist wie ein freier Fall an den Anfang der Welt“, versucht die Autorin die Zerrissenheit am Anfang der eigenen Veränderung zu beschreiben. Westdeutsche Kultur als Realität? Wissen wir, was Wahrheit ist, wieviele Realitäten es gibt, und ob unsere die richtige ist? „Unsere Realität ist genormt und eingeschrumpelt wie ein alter Apfel,“ so die Ärztin mit dem nun so weiten Horizont.
Die Ärztin Dr. Silke Bertram lebte von 2001 - 2005 auf Papua-Neuguinea. Foto: Meisner-Zimmermann |
Von 820 verschiedenen Sprachen in Guinea gibt es auf Karkar zwei, dazu völlig unterschiedliche Bewohner: die eher „gemäßigten“ an der Küste, die kämpferischen in vielen Clans im bergigen Inland. Hier herrschen Brutalität, häufig Gewalt gegen Frauen und Kinder, ein unerschütterlicher Glaube an Zauberei und Geistwesen, wohl auch kultisch gebundener Kanibalismus. Andrerseits kommt dem Familienleben, der Gemeinschaft, ganz allgemein der menschlichen Zuwendung hohe Bedeutung zu. Man verschenkt und verleiht Kinder an die, die keine haben, man zieht andere Kinder mit auf, falls nötig – das soziale Netzt ist eng geknüpft. Tote bleiben in der Vorstellung anwesend. Die Menschen sind autark, können sich selber ernähren, kleiden und mit der Kunst der Medizinmänner (fast) alles heilen. Und falls nicht, war ein Zauber mit im Spiel.
Die ebenfalls „bezauberte“ und seelisch gefangen genommene Ärztin (47) wohnt heute mit Mann und ihren inzwischen vier Kindern in Silberstedt, arbeitet in Schleswiger Krankenhaus und ist eine Weltbürgerin, die viel zu sagen hat.
Nachdruck, mit freundl. Genehmigung der Eckernförder Zeitung >>>Eckernförder Zeitung
„Wie „ein freier Fall an den Anfang der Welt“ – sh:z /Eckernförder Zeitung vom 15.08.2014, Text und Foto: Sylvia Meisner-Zimmermann
Freitag, 15. August 2014 erschien unter Tipps und Termine in der gleichen Zeitung ein zweiter Artikel von U.Rutzen