Der See Sidihoni liegt ungefähr sieben Kilometer aufwärts von Pangururan, dem größten Ort der Insel Samosir. Aufgrund ihrer Lage direkt an der Küste des Toba-Sees ist die Kleinstadt Pangururan seit alters her das Marktzentrum an der Westseite der Insel. Von hier aus ist das Gebiet um Sidihoni über eine zerfallene, kaum mehr befahrbare Serpentinenstraße oder über steile Fußpfade zu erreichen.
Der See und das gleichnamige Gebiet liegen in einer geschützten Höhensenke, umgeben von mehreren Hügelkuppen, auf denen versteckt hinter Bäumen viele kleine, rechteckig angelegte Weiler liegen. Die ältesten von ihnen sind umwehrt von hohen Palisadenwällen aus Lehm mit aufgepflanzten, mehrere Meter hohen Bambusstauden und spitzen Agaven. Meist zählen diese Dörfer zwischen zwei und sieben große, parallel ausgerichtete Wohnhäuser auf Pfählen mit hohen, sattelförmigen Dächern. Gründerdörfer können manchmal aus nur einem einzigen, traditionellen Mehrfamilienhaus bestehen und - in besonderen Fällen - eine menschenhohe, vor fremdem Auge versteckte, Megalithenurne zu ihrem Erbe zählen. Die schmalen Dorfeingänge zeigen meist ins Inselinnere, während der Rücken der Dorfanlage an Nelken-, Kaffee- und Reispflanzungen grenzt.
Zwischen den Hügeln und rund um den See Sidihoni herum erstrecken sich mit kurzem breitem Gras bewachsene Büffelweiden, die den Blick freigeben auf eine grandios geschaffene Landschaft in der Ferne. In der Tiefe ruht die glatte Fläche des Toba-Sees, und dahinter erhebt sich – fast zum Greifen nahe - der Vulkan und mythologische Ursprungsberg Pusuk Buhit mit seiner abgeflachten Kegelspitze.
Nach Norden und Süden hin können die Augen der Feldbauern bis über hundert Kilometer weit in die Ferne streifen und der unbewohnbaren, gefährlichen Abrißkante des Kraters folgen, die von Erosionen, tiefen Tälern und Wasserfallschneisen zerfurcht ist und auf deren Geraden sich Kegel entfernter Vulkane abzeichnen.
Die Insel selbst erscheint dabei sanft, geschützt und als ein Zentrum dichter, ursprünglicher Kultur.
In der Lebensweise der Dorfbewohner in Sidihoni konnte sich – im Gegensatz zu den leichter erschließbaren Küstenregionen – viel der altüberlieferten Tradition erhalten. So sind die meisten Mitglieder des hier ansässigen Klans der Simalango erst vor zwei Generationen bzw. rund fünfzig Jahren zum Christentum übergetreten. Dies war die Zeit, als auf Angehörige der ursprünglichen Religionen im ganzen Land durch die Nationalregierung Druck ausgeübt wurde, einer der anerkannten Hochreligionen beizutreten. Die Simalango in Sidihoni waren mehrheitlich – quasi als Sippenverband –zum katholischen Glauben übergetreten, weil dieser ihnen im Vergleich zum bereits länger verankerten protestantischen Glauben größeren Spielraum bei der Ausübung ihrer alten Riten gewährte. Denn diese stehen vorwiegend im Zusammenhang mit der Verehrung der Ahnen, verschiedenen Seelenbetrachtungen, Geisterglaube und Magie sowie der Naturverehrung und Opferungen. Ebenso wichtig war ihnen aber auch der damit verbundene Zugang zu moderner Ausbildung und besseren Zukunftschancen ihrer Nachkommen.
Bei einer Durchquerung der Insel Samosir von Ost nach West zu Fuß knüpfte die Autorin die ersten Kontakte mit den Bewohnern des Dorfes Peatabu am See Sidihoni. Die kleine Siedlung bestand aus vier Häusern und wurde von einem Familienstrang der Simalango einschließlich ihrer angeheirateten Verwandten und vielen Kindern bewohnt. Vor dem Bambuswall des Weilers Peatabu stand ein separates, einfaches Wohnhaus, das als Kaffeeschenke für vorbeikommende Bauern und Bäuerinnen und als regionaler Kommunikationspunkt fungierte. So war die Schenke auch ein idealer Rastplatz für die von ihrer Fußwanderung ermüdete Fremde. Dies führte zur Bekanntschaft mit ihren Besitzern, dem englisch sprechenden Familienvorstand, Vater Ama ni Roma Simalango, seiner Frau und ihren Kindern.
Sie luden die Rastende ein zu bleiben und ein erfrischendes Bad im See zu nehmen. Dabei zeigten sich die Anwohner der Region freundlich und hilfsbereit - der ansässige Fischer gab gern seinen Einbaum zur Probefahrt auf dem See und die in der Kaffeestube versammelten Männer verwiesen stolz auf die Renovierung der gegenüberliegenden Kirche, die sie zur Zeit freiwillig in Gemeinschaftsarbeit durchführten. Die Frau des Hauses bot Essen im Familienkreis und die Familie teilte ihren Schlafplatz unter der geflochtenen Gemeinschaftsmatte.