Aus persönlicher Verbundenheit mit den jungen, unverheirateten Frauen, die versuchten, eine unabhängige Existenz aufzubauen, und mit der Absicht, deren Möglichkeit einer autonomen Lebensgrundlage zu beobachten, folgte ich 1993 den Migrantinnen aus Samosir in urbane Zentren. Auch die Fortdauer oder Veränderung der Verwandtschafts- und Klanbeziehungen in den Großstädten hatten mein Interesse geweckt.
Damit weitete ich die Erfassung der Lebensformen vom traditionellen Klanland und historischen Rückzugsgebiet der Batak auf die sumatranische Hafenstadt Medan und danach auf die Hauptstadt Jakarta des indonesischen Staates aus. Jakarta liegt auf der Nachbarinsel Java und ist von circa 12 Millionen Menschen bevölkert. Zusammen mit vier angrenzenden Regionen bildet es ein Konglomerat mit circa 24 Millionen Einwohnern. In einem dieser Gebiete, Cikarang bei Bekasi, ist eine neue Industrieregion entstanden mit Niederlassungen international führender Firmen.
Der Zustrom von arbeitsuchenden Indonesiern aus all den verschiedenen Inseln des Landes ist enorm. Nur wenigen gelingt es, in einem der Industriebetriebe bei der Herstellung von Turnschuhen, Barbie-Puppen oder anderen Konsumgütern für den westlichen Verbraucher eine Anstellung zu bekommen. Die meisten müssen andere Überlebenswege finden, wie z.B. als Tagelöhner oder Kleinhändler. In der Umgebung prallt hochentwickelte Industrie- und Infrastruktur auf ausgedehnte Gebiete verarmter Viertel ohne Sanitäreinrichtungen oder Müllbeseitigung. In den Hütten und Verschlägen drängen sich die Migranten, von denen es trotzdem einige nach Jahren zu ansehnlichem Wohlstand bringen.
In einem der dürftig ausgestatteten Wohnviertel suchte ich die jüngst emigrierten Batak aus Sidihoni und Samosir auf, die ich noch vor ihrer Abwanderung in ihren Heimatdörfern, bei Festen oder während der Feldarbeiten und Marktgänge kennengelernt hatte. Mit einigen von ihnen lebte ich für ein paar Wochen zusammen in ihren engen und schwülen Unterkünften und folgte - erneut wieder mittels der Teilnehmenden Beobachtung - ihrem Lebens- und Erwerbsalltag.
In ihrer neuen Siedlungsumgebung lebten diese Batak als religiöse und ethnische Minderheit weiterhin stark orientiert an den alten Klanbeziehungen, hatten aber auch neue Formen der gegenseitigen, ökonomischen und nachbarschaftlichen Hilfe entwickelt. Traditionelle Adat-Treffen wurden aus Gründen der Sicherheit und des Schutzes vor Repression in den geschlossenen Wohnräumen materiell besserstehender Batak abgehalten. Wie in den Dörfern kamen hierbei Vertreter der drei funktionalen Verwandtschaftsgruppen zusammen. Doch repräsentierten sie in Jakarta ein viel weiteres Einzugsgebiet ihrer ehemaligen Heimatregion auf Samosirs. Die Ratsversammlungen und Feierlichkeiten verliefen auf batakscher Sprache, wobei die Riten des gegenseitigen Austausches mit Gaben von Ulos, Goldfisch und Schweinefleisch eingehalten wurden. Im öffentlichen Leben verwendeten die Migranten jedoch die Nationalsprache und verbargen ihre Herkunft und Volkszugehörigkeit.
Nach meinem Eindruck existierte eine Grundspannung zwischen dem Erhalt der traditionellen Batak-Kultur bzw. der Ausübung der sozialen Adat-Regelungen und den geänderten Erfordernissen im Alltags- und Erwerbsleben. Die neue urbane Umgebung verlangte Anpassung an andere ethnische Mehrheiten, Berücksichtigung der starken, staatlich geförderten islamischen Religion und ein Zurechtkommen mit komplexeren, gnadenloseren Marktmechanismen.