Die Großmutter Ompung Roma Boru Malau wurde in ihren jungen Ehejahren durch Ahnengeister zur Heilerin bzw. Schamanin berufen. Das entspricht den traditionellen Mustern von Berufungen bzw. Auserwählung unter den Toba-Batak-Frauen und Männern. Ahnengeister und Götterwesen des Stammes suchen direkten Kontakt zu den lebenden Menschen. Sie erwählen sich eine Person, häufig eine Frau, durch die sie während der Dauer eines Rituals direkt in Aktion treten und zu der sie - meist ein Leben lang - immer wiederkehren.
Ahnengeister bemächtigen sich dabei des Körpers der betreffenden Person und wollen durch diese sprechen, Mitteilungen machen und hilfreich tätig werden. Für die Erwählten ist dies in der Regel psychisch und physisch sehr anstrengend und wird als harte Bürde empfunden. Es heißt, niemand werde gerne zur Schamanin. Das Begehren der Geistwesen kann von den Betroffenen auch abgewehrt werden, hat dann aber oftmals schwere und unheilbare körperliche und seelische Krankheiten zur Folge.
Hat eine Schamanin ihre Pflicht angenommen, wird es zu ihrer Aufgabe, die Kräfte zum Heilen und zum Wohl der Mitmenschen einzusetzen. Damit ist die Einhaltung strikter persönlicher oder familiärer Lebensvorschriften verbunden. Außerdem können körperliche Einschränkungen auftreten. Mit Ompung Roma Boru Malaus Schamanenbefähigung trat der Verlust ihres Augenlichtes bzw. die vollständige Blindheit ein.
Nach Anrufung und Einkehr von Ahnengeistern fallen die Medien in der Regel in tiefe körperliche Erschöpfung. Ein Umfeld vertrauensvoller Helferinnen und Verwandter ist notwendig. Sie fangen den zusammenbrechenden Körper der Medien nach der Phase der Besessenheit auf und versorgen die geschwächte Person in den darauf folgenden Tagen. Sie betreuen das Medium in ohnmachtsähnlichen Phasen während der Trance und werden zu Assistenten. So suchten die Enkeltöchter von Ompung Roma nach den Kräutern und Pflanzen und halfen ihr beim Brauen der Tinkturen und Medizinen oder Herrichten von Umschlägen und Bädern. Ihre Schwiegertochter und ihr Sohn (Vater Ama ni Roma Simalango und seine Frau) sowie ihre engste Vertraute, ihre Tochter, reichten ihr während der Trance die erforderlichen Utensilien, Devotionalien und Opfergaben.
Versierte Schamanen und Schamaninnen können durch jahrelange Erfahrung solche Geschicklichkeit beim Wechsel der Zustände erlangen, daß sie fast ohne körperliche Nebenerscheinungen und Kontrollverluste Trance ausüben können. Prinzipiell treten im toba-batakschen Schamanenwesen die Persönlichkeit des Mediums und die Qualität des Ahnengeistes in einen kräftespendenden und zugleich kräftezehrenden Austausch. Es kann daher eine lebenslange Aufgabe werden, hierbei eine gesundheitsschonende Ausgewogenheit zu erlangen.
In früheren Jahren benötigte Ompung Roma das Gondang-Orchester und einen aufwendigen festlichen Rahmen, um in Kontakt mit ihrer speziellen Ahnin zu treten und deren Hilfsanweisung zu erhalten. Später, im hohen Alter von 70 bis 80 Jahren, konnte sie in Ruhe auf einer Matte in ihrem Adat-Haus sitzend und ohne sichtbare körperliche Veränderung ihre Helferin herbeibitten. Dies wird als besonders hohe Kunst betrachtet. Auch die enge Verbundenheit zu ein- und demselben Ahnenwesen fällt hierunter, denn meist werden die Medien von wechselnden Geistern aufgesucht.