Einladung zur Lektüre von: Christine Schreiber."Sidihoni"
Ausführliche Buchbesprechung von Christiane Kranich.
Mit dem Buch über Sdihoni stellt eine engagierte und qualifizierte Wissenschaftlerin ihre Forschungen zu den Toba-Batak einer weiteren Öffentlichkeit zur Verfügung. Sie gibt dabei einen imponierenden Einblick in eine uns sehr fremde Kultur in Indonesien.
Schon der Titel mit seinen näheren Ausführungen auf der 2. Titelseite lässt ein spannungsreiches Geschehen erwarten, das sich innerhalb der Darstellung vor uns enthüllt.
Das Buch gliedert sich grob in zwei Teile auf.
In einem ersten lässt die Autorin die Kultur der Toba-Batak in einem objektiv deskriptiven Stil vor uns erscheinen. Ihr kann man sich auf unterschiedliche Weise annähern. Diese Annäherung lässt uns die Autorin mit vollziehen. So schildert sie nach einer kurzen orientierenden Vorstellung ihren eigenen Zugang zu diesem Kulturkreis. Dieser ist zunächst von unvoreingenommenem Interesse einer jungen Frau bestimmt, das aber bald von wissenschaftlichem Engagement geprägt wird. In diese Tradition stellt sich die Autorin explizit und kann dadurch sehr schön zeigen, wie genau durch dieses Ineinander von Unmittelbarkeit und wissenschaftlicher Reflexion auf den eigenen Zugriff auf diese Kultur ein neues Bild und dadurch auch Verstehen dieser uns hier fremden Kultur entstehen kann.
Durch diese Methode kann die Autorin in einem zweiten Kapitel - überschrieben: Der Feldforschungsaufenthalt in Sidihoni 1989-1990 - ein deskriptiv exaktes, aber authentisches Bild einzelner kultureller Eigenschaften der spezifischen Stammeskultur entwickeln. So erscheint vor dem Leser ein klares Bild des Lebens und seiner spezifischen Bedingungen des Batak-Volkes. Sie lässt uns Einblicke gewinnen in die äußeren und inneren Charakteristika; so in den stammesgeschichtlichen und rituellen Zusammenhang, in den auch die Autorin selbst durch die sog. erweiterte Adoption aufgenommen wird, die sie einerseits genau beschreibt, durch die sie jedoch selbst auch eingebunden wird in das gesellschaftliche Leben der Batak.
Dadurch gewinnt die oben beschriebene Methode des Ineinander von Beschreibung und Reflexion eine neue Bedeutung: sie kann deutlich machen, wie in dieser Kultur durch
engagierte Wissenschaft neue, existentielle Dimensionen geschaffen werden können, die ein neues Verständnis dieser uns entfernten Kultur ermöglichen können.
In diesem Sinn gelingt es dann der Autorin, in einem kleinen Glossar, das in der Mitte der vorliegenden Schrift seinen Platz gefunden hat, Grundbegriffe der batakschen Kultur feinsinnig neu zu definieren oder aber erstmals vorzustellen.
Diese reflektierende Stellungnahme ermöglicht es ihr dann auch, im zweiten Teil des Buches ihre eigene Mitwirkung innerhalb des bisher beschriebenen Volkes darzustellen. Hier erscheinen nun die Tatsachen und Begriffe, die bisher eher beschreibend wiedergegeben wurden, als eine durchlebte Wirklichkeit, die aber niemals ohne die reflektierende Distanz der Wissenschaftlerin wiedergegeben werden. Hatte sie im ersten Teil Adat-Prinzipien, Adoption, Religiöses Leben, Zweitbestattung und die Bedeutung der Frau Revue passieren lassen, erscheinen diese nun im zweiten Teil, in dem die Autorin von der Perspektive der dritten Person in die Ich-Perspektive übergeht, direkt und unmittelbar und lassen den Leser ebenfalls ungebrochen daran teilnehmen.
Dadurch gelingt es der Autorin, einen unmittelbaren Einblick in eine Kultur zu geben, die uns zunächst weit entfernt erscheint. Diese Kultur wird über die eigene Identität vermittelt. Sie entsteht dabei als fremde Wirklichkeit, die jedoch vom Leser in der Nähe erfasst werden kann. Dies geschieht, indem die Kultur in der Auseinandersetzung mit der eigenen Erfahrung und dem Engagement der reflektierenden Ethnologie vor uns erscheint. Während dabei im ersten Teil die Abhandlung die notwendige Distanz durch die 3. Person aufrecht erhält, wird der Leser im 2. Teil in das Geschehen selbst involviert, in dem die Perspektive der 1. Person eingenommen wird.
Dadurch gelingt es, das zunächst objektive Geschehen des ethnologischen Herangehens als Wirklichkeit der eigenen Person und dadurch für jeden als ihm ebenfalls zugängliche Wirklichkeit zugänglich zu machen. Dabei entwirft die Autorin auch hier noch einmal ein Modell, das jedem einzelnen das Kennenlernen der Batak-Kultur ermöglichen soll, und zwar in Form interkultureller Begegnung, für die sie konkret selbst die Grundlagen durch den Bau eines Adat-Hauses und das Einweihungsfest desselben geschaffen hat.
Christiane Kranich
(Wissenschaftliche Koordinatorin des Kollegs, Germanistin, Historikerin, Philosophin,
Diplompädagogin)
EBERHARD-KARLS-UNIVERSITÄT TÜBINGEN
Graduiertenkolleg "Die Bibel - ihre Entstehung und ihre Wirkung"