Sidihoni - ein unkonventionelles Buch!
Das Publikum derer, die ein deutschsprachiges ethnographisches Werk über ein Volk auf Sumatra lesen möchten, dürfte begrenzt sein. Außerhalb eines überschaubaren Kreises von Fachleuten mag es eine Anzahl wissenschaftlicher Laien geben, welche sich aufgrund persönlicher Bezüge für das Leben und die Kultur der Batak interessieren. Doch werden nicht auch noch diese wenigen potenziellen Leser abgeschreckt, wenn sie sich zunächst über etliche Seiten hinweg mit Wissenschaftstheorien und biographischen Details zum Werdegang der Autorin auseinandersetzen müssen?
Mitnichten! Sidihoni ist ein unkonventionelles Buch und genau das macht es so lesenswert. Die scheinbar „unwissenschaftliche“ Form ist konsequente Folge einer scheinbar „unwissenschaftlichen“ Forschungsmethodik.
Wer sich zu sehr mit seinem Forschungsgegenstand identifiziert, verliert den objektiven Blick; ein Ethnologe, der nicht genügend Abstand wahrt, löst als Beobachter leicht Veränderungen der Kultur aus und „zerstört“ somit sein zu untersuchendes „Original“. In etwa so lassen sich die wissenschaftlichen Grundprinzipien zusammenfassen, gegen die Christine Schreiber bewusst und konsequent verstoßen hat. Sie überschritt nicht nur die etwas modernere Form der „teilnehmenden Beobachtung“, sondern ließ sich so nahe auf ihr Forschungsobjekt ein, dass sie im Laufe ihrer Arbeit gar als Tochter einer Batak-Familie adoptiert wurde. Der Wechsel von der Beobachterperspektive in die Rolle eines Familienmitgliedes erfährt mit der Verwendung der Ich-Form anstelle der zuvor benutzten dritten Person auch stilistisch seinen Ausdruck.
Die Darstellung von Lebensbereichen der Batak wie Kultur, Glaube, Gebräuche, Architektur und viele andere bleibt durch die Einbettung in die Erlebnisberichte der Autorin keine trockene wissenschaftliche Abhandlung, sondern gewinnt eine auch für interessierte Laien gut lesbare lebendige Form – somit wird deutlich, dass es sich tatsächlich um LEBENSbereiche handelt. Dem „objektiven“ Beobachter, der an diesem Leben nicht selbst teilnimmt, bleiben viele Informationen und Erkenntnisse verborgen, die Christine Schreiber ausgegraben und niedergeschrieben hat. Dies ist die wohl wichtigste Botschaft des Buches, welche es für Leser weit über den Kreis der eigentlichen Zielgruppe zu einer lohnenswerten Lektüre werden lässt. Nähe zu den Menschen kann manchmal nicht schaden.
Alex Flor
Watch Indonesia!
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Anmerkung von Christine Schreiber
Alex Flor ist Vorsitzender des Menschenrechtsvereins Watch Indonesia! Arbeitsgruppe für Demokratie, Menschenrechte und Umweltschutz in Indonesien und Osttimor e.V.