Leser-Kommentar
von Alex Flor, Watch Indonesia! e.V. >>> direkt zu Watch
Zu Wikipedia
Der Seitenhieb der Autorin, dass Wikipedia als Quelle bei Professoren nicht so gerne gesehen wird, erscheint mir ein wenig fehl am Platz. Freilich ist Wikipedia keine wissenschaftliche Quelle, sondern ein Nachschlagewerk. Als solches leistet Wikipedia wertvolle Dienste. Anders als etwa der Brockhaus sind allerdings die Beiträge von Wikipedia nicht von einer wissenschaftlichen Redaktion verfasst und gegengelesen, sondern von einer weltweit vernetzten Öffentlichkeit. Daraus ergeben sich Vor- und Nachteile, was die Zuverlässigkeit der Information und deren wissenschaftliche Verwendbarkeit anbelangt.
Wenn Wikipedia aber als EINE von nur drei Quellen in einer Arbeit benutzt wird, kann dies nicht akzeptiert werden. Die Arbeit von Frau Stracke stützt sich im wesentlichen auf Wikipedia, Warneck und Schreiber. Das ist zu wenig, zumal der Autorin jegliche eigenen Erkenntnisse fehlen.
Es wird noch eine weitere Internetquelle in der Arbeit zitiert. Auf <http://www.geocities.com/sumatra>, gelesen am 09.07.07, soll zu lesen sein, dass in Medan, der Hauptstadt der Provinz Nordsumatra, inzwischen etwa 20.000 bis 30.000 Batak leben. Die Quelle lässt sich leider nicht mehr überprüfen, da sie jetzt – im Dezember 07 – nicht mehr existiert. Die selbe Information findet sich allerdings auch auf Wikipedia <http://de.wikipedia.org/wiki/Batak>. Dort steht auch geschrieben, dass Batak „vereinzelt“ auch in Jakarta und in anderen Städten Sumatras und Javas leben, „doch sind dies wohl weniger als 500“.
Batak in den Städten
Man muss kein Indonesienexperte sein, um bei solchen Zahlen stutzig zu werden. Laut Wikipedia <http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_groessten_Staedte_der_Welt> belegt Jakarta ohne Vorortgürtel mit ca. 8,5 Mio Einwohnern derzeit Platz 11 auf der Weltrangliste der größten Städte. Der Großraum Jakarta schafft es nach der selben Quelle mit über 18 Mio gar auf Platz 8. Diese Zahlen sind drei Jahre alt; die Stadt ist inzwischen gewachsen. Kann es tatsächlich sein, dass die Simanjuntaks, Siregars, Siahaans, und wie sie alle heißen, in dieser Stadt nur ein paar Hundert Menschen zählen? Ein Blick ins Telefonbuch lässt erste Zweifel aufkommen. Tatsächlich wird der Anteil der Batak an der Bevölkerung Jakartas auf etwa 3,5 % geschätzt. Das wären alleine in der Hauptstadt – ohne Umland – ca. 300.000 Menschen.
Ungleich größer ist zweifelsohne der Bevölkerungsanteil der Batak in Medan, der Metropole Nordsumatras. Medan ist die drittgrößte Stadt Indonesiens. Die Kernstadt beherbergt mittlerweile deutlich über 2 Mio Einwohner; das Umland mitgezählt sind es etwa doppelt so viele. Verschiedene Quellen im Internet beschreiben Medan nicht zu Unrecht als „Multikulti“-Stadt: in kaum einer anderen Region Indonesiens treffen so viele Ethnien und Religionen aufeinander wie in Medan. Hier leben Malaien, Javaner, Batak, Chinesen, Minangkabau, Inder, Acehnesen und viele andere mit- und durcheinander. Dennoch finden sich in vielen Internetforen Beiträge, in denen offenbar um das Image der Stadt und ihre eigene Stellung in deren Gesellschaft besorgte Schreiber betonen, dass Medan keineswegs von den Batak dominiert, sondern eben multikulturell sei. Kaum vorstellbar, dass sich Leute bemüßigt fühlten, darauf hinzuweisen, wenn in der Stadt tatsächlich nur 20-30.000 Batak (1 – 1,5 % der Bevölkerung) lebten. In Wirklichkeit dürfte das Zehnfache dieser Zahl eine eher konservative Schätzung sein. Genaue Zahlen sollten dem statistischen Jahrbuch „Medan dalam angka“, herausgegeben vom Amt für Statistik der Stadt Medan (Biro Pusat Statistik; BPS Kota Medan) zu entnehmen sein, welches leider nicht online verfügbar ist. Allerdings dürften auch die dort genannten Zahlen einige Fragen, z.B. bezüglich die der Definition von „Batak“, offen lassen. Ethnologen rechnen den Batak mehrere Stämme zu, darunter die Toba-, Karo-, und Mandailing-Batak. In der Wahrnehmung vieler Indonesier, gleich ob Batak oder nicht, zählen jedoch nur die Toba als „richtige“ Batak. Welche Definitionen und Zahlen mögen wohl den Statistiken des BPS zugrunde liegen?
Batak-Kultur heute
Diese Ausführungen sollen nicht als kleinliche Zahlenspiele oder Quellenkritik missverstanden werden. Es geht um weit mehr. Denn hinter diesen Zahlen steht die Frage, wie wir die Batak und deren Kultur heute einordnen. Reduzieren wir die Kultur der Batak auf die in entlegenen Dörfern auf Samosir oder in Tapanuli noch in – mehr oder weniger – Reinform existierenden Sitten und Bräuche? Oder nehmen wir zur Kenntnis, dass heute Hunderttausende dieser Kultur entwachsene Batak in modernen Großstädten wie Medan und Jakarta leben? Diese in Großstädten wohnenden Batak sind mitnichten eine Minderheit ihres Volkes. Sie verstanden es, sich an viele Gepflogenheiten des modernen urbanen Lebens bestens anzupassen und treten heute in vorderster Front der Modernisierer dieses urbanen Lebens auf. In prominenten Positionen in der Politik, im Militär, in der Wissenschaft, den Medien oder der Kunst Indonesiens sind gebürtige Batak heute im Vergleich zu anderen Volksgruppen zahlenmäßig eher überrepräsentiert.
Man wird den Batak nicht gerecht, sie auf die Reinform ihres Adat – den traditionellen Sitten und Gebräuchen – zu reduzieren. Animismus und Ahnenkult mögen in der von Frau Stracke beschriebenen Form in entlegenen Gegenden Tapanulis oder Samosirs noch weitgehend unverändert praktiziert werden. Das mag für Ethnologen interessant sein. Weitaus interessanter sollte es jedoch sein, sich den Realitäten des 21. Jahrhunderts zu stellen. Es wäre spannend zu untersuchen, welchem Einfluss ihrer Kultur die modernen Batak in den Städten heute noch unterliegen und welche Rückwirkungen dies auf ihre noch in den Dörfern Tapanulis lebenden Angehörigen hat.
Modernität und Weltgewandtheit stehen nicht automatisch in Widerspruch zu althergebrachten Sitten und Bräuchen. Adat hat auch für die in der urbanen-globalen Welt lebenden Batak seine Bedeutung nicht verloren. Und nach wie vor gibt es auch hier einige Adat-Bräuche, die nur schwer mit dem Christentum vereinbar sind. Aber auch wir haben ja unseren Weihnachtsbaum als heidnisches, vorchristliches Symbol mit in die christliche Neuzeit herüber gerettet.
Alex Flor
Watch Indonesia!
30.12.2007