Wir möchten nach Spanien fliegen und uns einen Wanderurlaub in der Mandelblüte gönnen. Glücklich bin ich mit ihm, meinem zarten Buddha, der aufmerksam auf mich und sich Acht gibt, der zärtlich im Hier und Jetzt weilt und dem ich vertraue.
Im Internet google ich die Region herbei, zwei mögliche Flughäfen, an denen wir aussteigen können: Alicante oder Velinca.
Aha, an der Ostküste Spaniens ist das, am Mittelmeer gelegen, hm, jetzt mal groß zoomen, schauen, wie die Landschaft aussieht. Wo gibt es Ortschaften, und wo nur Landschaft mit Bergen, Tälern, Felsen und Küste.
Benidorm heißt ein Ort. – ? –- Habe ich das nicht schon einmal gehört? B-E-N-I-D-O-R-M … ?! Auf der Achse nach Valencia liegt dieser Ort, wenn man sie weiterfährt, von Süden kommend, erreicht man Barcelona.
B-A-R-C-E-L-O-N-A – dorthin war ich schon einmal unterwegs. Rainer, mein Mann, hatte Barcelona als Ziel auf dem Rückweg unseres Portugal-Urlaubes via Spanien auserkoren, um dort die wundersamen Gebäude von Antoni Gaudi zu besuchen und sie mir zu zeigen. Er war Architekt, ein sehr künstlerischer Mansch, und er war sehr weiblich. Innerlich in der Seele und auch in seinem Leib war – gefühlt – halb-halb, halb männlich, halb weiblich.
Ein glatter Körper, ohne weitere Behaarung, zartfühlend, mit langem blondem Haar bis über beide Schultern. Standen wir nebeneinander, sah er aus wie meine männliche Schwester, kaum größer als ich, gleiche Haarfarbe, ähnliche Augen, er war meine Spontanliebe.
In der Diskokneipe gesehen, in die Augen geschaut, keine weiteren Worte nötig, mitgegangen, in den alten nostalgischen blauen Mercedes gesessen, zu ihm nach Hause gefahren in seiner 2-er Männer-WG und eine wilde, leidenschaftliche Liebe gelebt. Auf Anhieb!
Der Mann war zehn Jahre älter als ich, mindestens, wenn nicht gar mehr. Ich selbst war 16 oder beginnende 17 Jahre alt, hatte mir zuvor die Pulsadern versucht aufzuschneiden, wegen einer Beziehung, die in die Brüche ging und liebte nun die Reife und Selbständigkeit und all die musischen Aspekte dieses Mannes, der auch meine Mutter respektierte, der täglich zu uns nach Hause kam, denn ich wohnte noch bei meiner Mutter und war Schülerin auf einem weiterführenden Gymnasium für zumeist sehr schwierige Jugendliche, die auf anderen Schulen keine Chancen mehr hatten.
Wir erreichten B-E-N-I-D-O-R-M, es wurde schon Abend, irgendwo vor Benidorm wollten wir den Wagen abstellen und darin schlafen. Wir hätten die roten Ledersitze nach hinten geklappt und im dem blauen Mercedes, von denen es auf der Iberischen Halbinsel noch viele zu dieser Zeit gab, gemütlich geschlafen, wir zwei kurzen Menschen. Eine Flasche Rotwein vorab geleert, wir hätten uns nicht gestört an den Mulden und Kanten. Auch der Gangknüppel hätte nicht drücken können, denn es gab eine lange Getriebe-Schaltstange mit kleinem Knopf direkt neben dem großen, schwarzen Steuerrad.
Der Wagen begann in der Dämmerung zu ruckeln, zu zuckeln, die Anzeige des Diesels zeigte enorme Hitze, irgendwas schlug im Motor metallen herum… Ein paar Kilometer, so hofften wir, und dann könnten wir die Vorregion von Benidorm erreichen, wo sicher eine Werkstatt aufzufinden sei … und so war es auch.
Es ist schon dunkel, der Meister schaut sich den Motor mit einer Taschenlampe an. Wir sprechen kein Wort Spanisch, aber sehen das besorgte Gesicht und ein Schulterzucken. „Mucho travacho – mucho travacho!“ wiederholt er immer wieder. Unser Lexikon übersetzt: „Viel Arbeit!“ Viiiieeel Arbeit.“
Die Pleuelstange ist kaputt und wohl auch ein oder mehrere Kolben. Mehr Fachbegriffe habe ich mir über die folgenden knapp 40 Lebensjahre nicht tiefer in mein Hirn eingeprägt.
Wir schlafen an der Werkstatt im Auto.
Am nächsten Morgen wird telefoniert, Handys gab es noch nicht, aber wir erreichen per Zelle den ADAC und es wird geklärt, dass wir ab Benidorm mit dem Zug nach Hause fahren werden und der ACAC den Wagen später nach Deutschland überführen wird.
Der braucht wohl einen neuen Motor, und da das Auto das Erbstück von Rainers Vater ist, wird Rainer ihn wieder richten lassen.
Die Kiste voll spanischen Weins lassen wir im Wagen, selbst reisen wir per Nachtzug – ich selbst habe meine riesige Tüte voll kiloschweren Strickzeugs dabei für einen breiten, langen Glockenrock aus Wolle mit mehrfarbigem Norwegermuster. Das vertreibt die Zeit.
Im Schulunterricht des speziellen Gymnasiums hatte ich angefangen, dieses wirklich sehr herausfordernde Strickwerk mit hoher Disziplin, Konzentration und Geduld zu fertigen. Erlaubt war es, diese Riesentüten während dem Unterricht in Psychologie, Pädagogik, und je nach Zustimmung oder eventuell auch Resignation seitens der Lehrer in anderen Fächern zum Stricken unter die Schulbank zu stellen. Mir schärfte es oftmals die Zuhörfähigkeit und milderte es aufkommenden Widerwillen gegenüber Schwafeleien der Lehrkräfte. Aber in Deutsch, bei Frau Doktor Schild, die von der Uni zu uns gekommen war, war es verboten und indiskutabel.
Der Rock zierte später meinen schlanken, oftmals ausgehungerten Leib, zu Stiefeln, die Rainer mir kaufte. Wie er so vieles für meinen Leib brachte, was er vielleicht selbst gerne getragen hätte und mir schenkte, um mich postkartenhaft weiblich hübsch zu gestalten, im Freak-Stil der ausgehenden 60-er Jahre … Teures, Schickes ... gekauftes in Montreux bei den Jazzfestivals oder an unseren Urlaubsstätten wie Norditalien … Seidenflatter und abgefahrene Kunstfellmäntel … oder einfach gegenseitig angezogen: er den Pulli von mir, ich den von ihm, mit der Freude und Eitelkeit, dass andere uns auf den ersten Blick verwechseln.
Rainer, (m)ein weitgehendes männliches Ebenbild – wir hielten einander fest, jung, leidenschaftlich mit körperlicher Gier bis zur Abhängigkeit. Besser Lieben hatten wir in dem Alter nicht gelernt.
Im Gymnasium, dem dreijährigen, waren wir nur Schülerinnen bis auf 2 junge Männer. Hier konnten RealschülerInnen die allgemeine Hochschulreife erlangen, sofern sie sehr begabt waren und, wie z.B. in meinem Falle, persönlich bei der Rektorin vorsprachen. Oder es bekamen Hinzugezogene oder die Schwierigen der umliegenden Gymnasien erhielten eine neue Chance, so dass wir einen Einzugsbereich über Süddeutschland hinweg hatten.
Wir waren politisch, jung-feministisch, wild, draufgängerisch, in der sexuellen Orientierung suchend, kifften und soffen an manchen Wochenenden bis zum Kotzen und zehrenden Kreislaufzusammenbrüchen.
Rainer und ich waren zusammengezogen in ein Siedlungshaus mit Garten, das drei Häuser weiter entfernt von jenem meiner Mutter in einer Reihenhaussiedlung stand. Was fühlte ich mich früh erwachsen, cool und reif!
Ich bekam den 60er-Jahre VW Volkswagen meines Vaters – auch ein Erbstück – um damit in die Schule zu düsen, hatte eine eigene, schwarze, sehr intelligente Katze Namens Sappho, die „Frauenliebende“ und veranstaltete in diesem Haus wilde Feten mit den Mitschülerinnen, dem alternativen Psychologielehrer, mit dem wir die Hausbesetzung des Feuerwehrhauses in Radolfzell teilweise gemeinsam durchzogen.
Silke, meine Mitschülerin aus Norddeutschland, mit ihrem langen, glatten Haar, ihrer ruhigen, bedachte Art und diesem so freundlich klingenden nordischen Dialekt gefiel mir irgendwie besonders.
Ganz zart verliebte ich mich in sie. Manchmal besuchte ich sie zu Hause bei ihren Eltern. Etwas unsicher und vorsichtig fühlte ich mich, aber doch zugleich vertraut.
Ihre Nähe war schön wie die einer blühenden Blume – ruhig, ohne meinen Drang nach Alkohol und Cannabis anzukurbeln.
An einem der Klassenfeste in unserem Siedlungshaus ging es heiß her. Big Fete lief. Des Nachts, so erinnere ich mich, kroch ich ins gemeinsame Ehebett mit Silke. Wir tasteten uns zart weiter. Die anderen tobten, soffen, palaberten im unteren Stockwerk weiter und fast bis zum Exzess. Die Türe geht auf. Herein tritt der Lehrer, auch einer der Fetengäste. Scheiße! Den kann ich nicht brauchen. Er legt sich zu uns, Silke umarmt ihn. Enthemmt sind wir alle vom Alkohol und Gras.
Uff. Doof. Wir probieren es zu dritt zu schmusen.
Rainer tritt ins Zimmer.
Es ist sein Bett.
Oh – der Lehrer macht die Mücke. Silke läd Rainer ein. „Ich habe noch nie einen Mann in meinem Leben gehabt, immer nur Frauen“, flüstert sie in mein Ohr.
Oh, schöne Scheiße.
Ich schaue, dass ich die Dreier-Situation beende. Rainer gehört mir und Silke will ich alleine.
So also nicht. Besser wusste es keiner.
Mit dem alten blauen Mercedes waren wir die letzten Tage zuvor an der Algarve, der Südküste Portugals, gewesen. Ein fast glühender Sandstrand – die Luft zum Atmen zum Schneiden dick; ich war schwach auf meinen Beinen.
Hübsch anzusehen, dürr, vom häufigen Kotzen durch Psychostress und Magersucht, einsam durch das Geschehen zuvor.
Begehrt wurde ich und intellektuelles Futter bekam ich durch Rainer – aber es reichte nicht. Etwas nagte an mir.
Ich liege in einem Mehrbettzimmer im Krankenhaus. Es ist Nacht. Rainer hatte mich mit dem blauen Wagen zur Pforte gebracht. Niemanden sage ich den Grund meines Hierseins.
Frauenstation. – Eventuell die Geburtsstation?
Ich glaube ja.
Ich habe einen blau gefalteten Pass aus Papier bei mir auf dem steht: Mutterpass. Rhesus Faktor positiv. Ob ich ihn noch in meinen Unterlagen habe, heute, vierzig Jahre danach?
Ich bin so einsam. Ein Medikament zur Beruhigung vor der morgigen Operation wird verabreicht. Komisch. Ich werde unruhiger, es tut mir nicht gut. Wie gelähmt liege ich im Bett, obwohl alles in mir rast: das Herz und jede Zelle. Angst steigt in mir auf. Unglaubliche Angst. Todesangst. Ich will Hilfe rufen, aber die Lippen formen sich nicht. Allein der Gedanke, mich zu bewegen oder nur einen Finger zu rühren, bringt mich fast um. Angst-Lähmung.
„Eine Bewegung und du stirbst“, sagt eine Stimme in mir. „Halte still!“ Ich kämpfe in mir, bin schweißnass, in der Fremde. „Komme doch jemand!“, flehe ich stumm brüllend. Helft mir! Heeeelft. – NICHTS.
Als wären es Stunden, bis endlich, endlich der Finger sich ein bisschen knicken lässt, der Arm sich paar Zentimeter schieben lässt. Die starre Haltung explodiert. Im Nachthemd steigt der Panik-Leib aus dem Bett, rasen Beine leere, hölzerne Treppen durch den breiten, hallenden Klinikgang – „Hilfe, Hilfe!“ schreie ich.
Wahrscheinlich bringen mich Krankenschwestern wieder ins Bett, wahrscheinlich beruhigen sie mich, wahrscheinlich bekomme ich mehr Medikamente.
Am nächsten Tag bin ich benommen, als ich auf der fahrbaren Liege fortgebracht werde und irgendwann erwache ich aus einem tiefen, unbewussten Schlaf.
Geburtsstation. Mit niemanden kann ich sprechen. „Es ist alles gut gegangen“ – so oder so ähnlich wird man zu mir gesagt haben. „Morgen werden Sie wie geplant entlassen.“
Meiner Mutter habe ich gesagt, ich würde das Wochenende bei Rainer verbringen und den Freitag dazu.
Es ist nicht lange vor den Sommerferien und der Auto-Fahrt nach Spanien. Vielleicht hatte ich in der Schule den Freitag geschwänzt oder eine Krankmeldung abgegeben. Ich war erst siebzehn Jahre alt und noch minderjährig – doch kurze Krankmeldungen durften wir schon schreiben.
Die Pflichttermine hatte ich alle alleine gewältigt: irgendeine Beratungsstelle, ich glaube, es war Pro Familia und einen Gang zu einem Pfarrer, scheint es mir heute. Den Rest mit der Frauenklinik klärte der Frauenarzt, der Junge, der mit dem seltsamen Blick, der am liebsten immer selbst in den Uterus hineingekrochen wäre….
Ich habe überall alles klar und richtig gesagt: ich bin noch minderjährig, meine Mutter ist herzkrank, depressiv und Witwe, ich wohne zu Hause und versorge sie; ich will mein Abitur machen auf meinem Wunschgymnasium und der Vater des Kindes hat noch keine feste Anstellung und bereits ein leibliches Kind aus einer vorherigen Beziehung im Heim. Machen Sie es weg!
Einfach weg! WEG! – !!!
Schrauben Sie mein Leben zurück mit ein paar Schnitten und Narkose. Drei Monate zurück!
So hatte ich mir das vorgestellt.
Ich lasse mir doch keinen Strich durch das Leben machen, durch meine mühsamen Schritte in die Freiheit, raus aus der Enge meiner unsäglichen Familie und dieses engen Dorfes. Meine Ausbildung ist doch mein Schlüssel in die Zukunft – soweit war mir das alles unbewusst klar.
„Bring bloß kein Kind nach Hause“, hatte meine Mutter bereits jahrelang resigniert wiederholt. Ungefähr seit ich dreizehn Jahre alt und ihrer Führung entglitten war.
Nachlässig war ich neben meiner Leichtsinnigkeit auch. Ein halbes Jahr später fand meine Mutter beim Aufräumen meines Zimmers meinen Mutterpass, sagte „Aha“ und legte ihn vor mir auf den Tisch. „Es ging nicht anders“, antwortete ich – jegliches weitere Gespräch war nicht mehr nötig.
Mutti, wie ich sie nannte, liebte Rainer als Menschen. Sie verzieh es uns.
An der Algarve war ich so schwach. Eine Fischvergiftung von zwei drei Tagen zuvor ließ mich vor lauter Kotzen fast von innen nach außen stülpen und es wurde ein Besuch in einer Art Dritte Welt Krankenhaus am südlichsten Zipfel Portugals nötig. Allmählich renkte sich die Gesundheit wieder ein, aber es fehlte die Lust zu essen, die Lust zu kopulieren, die Lust zu Schwimmen, die Lust zu leben…
In einer versteckten Bucht mit Sandstrand badeten wir in der Sonne, der Rainer und ich. Am Strand spielten ein paar junge portugiesische Frauen mit einem Ball in der Sonne. Schwarzhaarige, kräftige, gesunde Frauen. Oben ohne! Mit schwarzen längeren Haaren um die Brustwarzen herum.
Waaaaas !!! Eklig, zu komisch – hääää – ? – ich bin irritiert.
Sie sind so frei, so selbstbewußt. Wahrscheinlich Lesben.
Der Strand zwischen ihnen und mir, nur ein paar Meter weit, ist von so unendlichem Himmel getrennt.
Ich sonne mich auf dem Sand und bin hübsch.
Ich bin leer.
17
*
Ab Benidorm fährt der Zug nach Hause. Schön, ich gehe wieder in die Schule.
Aber wann soff ich nur noch? Ab wann schlug ich Rainer?
Vielleicht, nachdem er nach einer anderen geguckt und sie auch genommen hatte, damals, nach dem nächsten Urlaub, der nach Griechenland ging? Oder um die Abiturszeit herum, als wir Silke bei ihrer Oma in Emden / Norden besuchten, wo er sich wieder ins Bett dazulegte oder sie von selbst unter die Decke dazukam und das klasse fand.
Wahrscheinlich zerstörte ich mich, Teile der Wohnungseinrichtung, das Katzenwohl und ein Stück weit auch Rainer ganz allmählich und schleichend.
Mich zu trennen von Rainer war soooo schwer. Wir zogen auseinander und zogen wieder zusammen, probierten uns mit anderen Partnern zwischendurch. Wir begehrten uns mit Leidenschaft und Unfähigkeit, einander zu achten und zu führen, wollten uns besitzen und verziehen uns nicht. Ausweglos.
Ich packte erneut alle Möbel und zog zu einer Feministen / Lesbe in eine Zweier-Wohngemeinschaft in die Vorstadt. Diese bekam allerdings die Krise ob so einer männerzentrierten jungen Frau mit 20 Jahren, die alle paar Wochen den Mann wechselte und dann doch bei der Arbeit weiche Knie bekam, weil ihre spanische Kollegin wieder ganz andere Gefühle in ihr auslöste.
Das Abi war geschafft, die Noten gut und zur Orientierung und zum ersten Geld verdienen arbeitete ich auf bei der früheren Arbeitsstätte meines schon lang verstorbenen Vaters in der Psychiatrischen Landesklinik.
Dieser spanischen Kollegin teilte ich eines Tages mit: Ich verlängere nun noch drei Monate meinen Job hier auf der geschlossenen Station und dann fliege ich nach Singapur. One-Way-Tickelt. Meine Sachen werde ich unterstellen bei meiner Mutter oder Freunden. Vielleicht bleibe ich für immer. – Kommst du mit, das Flugticket in Zürich barzuzahlen? Nur dort gibt es soetwas, ein One-Way-Ticket.“
Sie kam mit. Der alte VW schnaufte die Tour gerade so.
Die letzten Dienste im Landeskrankenhaus legte ich nach Wunsch so, dass ich mit dieser jungen Spanierin zusammen auf der Station arbeitete. Schön und aufregend war das. Abschiedsgefühle schufen die nötige Distanz, sie machen die Seele sowieso zu einem Reibeisen.
Dann flog ich. Göttin, war mir mulmig und flau.
Ich sah bei der Zwischenlandung Karachi, mit schwarzen Menschen, die die Transporter auf dem Rollfeld fuhren und Frauen in Saris, die Erde in Körbe schaufelten und auf dem Kopf auf eine Halde trugen. Die Hitze ließ mehrere Streifen der Luft über dem heißen Teer-Rollfeld in Streifen zittern.
A-S-I-E-N. – Faszination – Angst – JA!
Asien rief und ich fand den kleinen Buddha. Den besonderen, da mein Blick anders und mein Herz offen war – jedoch unter dem Einfluss von heiligen Pilzen und mal wieder ohne Führung.
Leichtsinnig war ich, wie schon zuvor im Leben.
Die Konsequenzen hatte ich zu tragen – wie schon zuvor im Leben.
Fünfunddreißig Jahre sind schon vergangen, seither lebe ich neunundzwanzig Jahre davon zusammen mit meiner lieben, treuen Frau. Das Kinderkriegen ist rum. Und doch gab es letzthin den Zusammenbruch. Außen wie Innen. Die Zellen W-I-S-S-E-N.
Diese Leere, der endlose Himmel zwischen sich selbst, ist nur zu füllen mit Tausenden von neugestrickten Fäden im Leben, im Jetzt, im Herzen, gewoben aus Leben, Freundschaft und jeden Tag ein bisschen mehr Weisheit und Liebe … weiter umhüllend als ein Strick-Glockenrock … aber ähnlich….
Täglich, täglich üben, täglich eine neue Chance, und das Leben wird!
Doch wie bin ich Rainer losgeworden?
Es war ganz einfach und ereignete sich von einem Tag auf den anderen.
Wir waren damals erneut zusammengezogen, wohnten in der Stadt und sogar mit Sappho, die mit in die Stadt gekommen war und äußerst klug und gewandt die Hinterhöfe und den Verkehr meisterte.
Rainer kam von der Arbeit nach Hause, öffnete die Wohnungstüre, stand darinnen mit großen Füßen, kurzem Leib und schrägen Proportionen und mit einem nichtssagenden durchschnittlichen, fast abstoßend allgemeinen Kopf = ein Kurzhaarschnitt.
Ich heulte los, brüllte, warf mich enttäuscht auf das Doppelbett und spontan hörte ich mich laut schreien: „Scheiße, so kann ich nie mehr mit Dir ins Bett!“
Will heißen: no sex anymore. that`s it.
Die Katze brachte ich danach dem ehemaligen Nachbar in die Siedlung, wo sie ein Haus weiter neben mir und dem meiner Mutter aufgewachsen war. Dieser Nachbar war früher Seefahrer gewesen, kannte Singapur, Malaysia, Sumatra…. alles meine Ziele. Eine gute Lösung. Er liebte die Katze sehr.
Rainer habe ich nie wieder getroffen, nur im tiefsten Traum kam er hin und wieder – als mein Mann. All die Jahre. Eigentlich sehr unpassend. Wirklich! Ich finde, hier könnten meine Zellen umlernen.
Bald geht es nach Alicante in Spanien zur Mandelblüte, per Flugzeug, zu einem Wanderurlaub. Meine Frau bleibt zuhause und mein kleiner zarter Buddha hält meine Hand … Mandelblüten und Seelenduft …
* Oder 18 ? - Jünger gemacht in der Erinnerung - aus Opferdenken und Selbstmitleid - um sich der Verantwortung zu entledigen ???
<cs November 2016>