25. Mai, beim Bischof in seiner Residenz
19.00 Uhr. Benyamin Purba läd uns in seinen Jeep und fährt mit uns durch die nächtliche, schwüle-heiße Hauptstadt.
Wir halten an einem großen Herrenhaus mit Innenhof. Der einzige Mitbewohner des Hauses, ein holländischer Sekretär, bringt uns durch das alte Holzgebäude ins Obergeschoß. Hier, in der einsamen nachtfinsteren Residenz öffnet sich eine schwarze Holztüre und schaut uns ein grauhaariger, agiler Mann mit wachsamen Augen an: "Herzlich willkommen", grüßt er uns zwei Frauen auf reinstem Deutsch".
"Oh, vielen Dank. Das ist uns aber eine große Ehre, daß wir zu Ihnen kommen dürfen", antworte ich.
"Aaach, das ist normal. Ich bin ein ganz normaler Mensch", lacht er herzlich.
Um es vorweg zu sagen: Diese Freundlichkeit, Fröhlichkeit und Direktheit zieht sich durch den ganzen Abend. Ich habe noch keinen derartigen Menschen erlebt. Ja, ich weiß, Batak sind gerne laut und lachen herzlich. Aber beim Bischof Sinaga paart sich ein wahrhaft großer Intellekt und Wissen aus ganz Europa mit einer Leidenschaft für jegliches kulturelle Schaffen, reinster Herzlichkeit und herausforderndem Schalk.
Bischof Sinaga empfängt uns in seinem Arbeitszimmer. Wo auch sonst!. Sein PC ist noch am Laufen, auf dem Schreibtisch stapeln sich Berge von aufgeschlagenen Büchern, in den Regalen reihen sie sich aneinander und oben drauf stehen Geschenke von Besuchen in europäischen Ländern. Der Bischof arbeite regelmäßig bis nachts um 2.00 und sei um 6.00 schon wieder auf, berichtet Benyamin Purba voller Respekt von der Schaffenskraft dieses Mannes.
Wir nehmen an einem großen, länglichen und gemütlichen Besprechungstisch inmitten des Arbeitszimmers Platz. Wir, das sind der Bischof, Benyamin Purba, Britta Höckh und ich.
"Was führt Sie zu mir?"
Ich zeige ihm das Buch und erzähle von seinen Themen. Als er es durchblättert, stellt er sogleich honorierend fest: "Oh, das war viel Arbeit, sehr viel Arbeit!"
Ach, tut das gut! Bischof Anicetus Sinaga weiß wovon er spricht. Er schrieb eine Doktorarbeit über den Glauben seines Volkes auf englisch. "Sie haben einen Vorteil", lacht er, "Sie können Ihre Muttersprache verwenden. Ich mußte auf einer Fremdsprache schreiben. Oh je, dabei zerbricht man sich wirklich den Kopf!"
"Ja, aber in Deutschland haben wir Probleme mit Begriffen wie Volk, Stamm, Sippe oder Klan aufgrund unserer jüngeren Geschichte. Ich mußte viele Begriffe neu definieren und habe es gewagt sie als deutsche Worte wiederzuverwenden. Da habe ich mir auch den Kopf zerbrochen. Im Fach nimmt man nur englische Begriffe, die sind neutraler."
Das amüsiert Benyamin Purba, "Sie mußten also englische Begriffe zurückübersetzen ins Deutsche. Wie originell."
Wir lachen herzlich darüber.
Danach gehen wir gemeinsam die Themen des Buches durch.
Ich freue mich unglaublich über die fachliche Diskussion. Sie hatte bereits tags zuvor im Kloster mit den Brüdern begonnen und wird nun fortgesetzt. In Deutschland treffe ich nur selten auf solch versierten Kenner.