Schaffen und Erschaffen
"Ich habe im Buch einiges neu zusammenfügt und überdacht. Als Frau schaue ich z. B. von einer anderen Warte auf die Zusammenhänge von Verwandtschaft und Klanen. So formulierte ich die neue Kategorie von "Heiratbaren" und "Nicht-Heiratbaren", denn die ethnologischen und übersetzten Begriffe für Pariban haben einfach nicht gepaßt."
"Na, dann haben Sie ja erschaffen", kommentiert Sinaga mit bewußter Wortwahl. Und wieder erfrischt diese doppelsinnige, fröhliche spielerische Art mit dem ‚Heiligen’ und ‚Ernst des Lebens’.
Bischof Sinaga hatte in seiner Dissertation "The Toba-Batak High God" die altüberlieferten Mythen seines Volkes zur Erschaffung der Erde und Menschen untersucht. Er weiß, was erschaffen bedeutet.
Dann führe ich aus, welche Parallelen zwischen vorchristlichen Riten und heutigem praktizierten Christentum im Buch gezogen werden. Ich zeige ihm Bilder von heidnischen Ahnenopfern neben Kirchgängern - brisante Themen für einen Bischof. Das Buch sei provokant, füge ich hinzu. Ich wolle damit herausfordern und eine Diskussion anschieben - auch unter Fachvertretern. Er lauscht, er nickt. So auch bei anderen Themen. Er schaut mich an:
"Gratulation zu diesem Werk. Mein Respekt. Sie sind wirklich tief hineingedrungen in unsere Kultur" sagt er ernsthaft.
Das ist ehrlich gesprochen und tut soooo gut.
"Vielen Dank, daß Sie so viel für unsere Kultur geleistet haben. Sie haben sehr viel Geld und Zeit dafür verwendet. Machen Sie weiter so! Gratulation!"
Nein, so etwas hat noch niemand zu mir gesagt. Solch eine Ermunterung und solch ein herzliches Lob ist nach all den vielen Jahren des harten, zurückgezogenen Schreibens und Bearbeitens von Material am heimischen Schreibtisch wie frischer Morgentau für die Seele. Fast fünf Jahre hatte es mich gekostet, und nun versteht dies ein Bischof! Das habe ich nicht erwartet. Aber daß ich seine traditionelle Kultur gut kenne, daran habe ich keine Zweifel.
Bischof Sinaga kennt sogar Sidihoni. Er war schon einige Male dort, erzählte er, an dem See auf der Insel Samosir, die im großen Toba-See liege.
Bestürzt erfährt er von uns die neue Nachricht, daß der See fast ganz ausgetrocknet ist. Wir zeigen ihm auf dem Display der Digitalkamera die aktuellen Fotos der aufgerissenen, trockenen Erde - wie ein Mondkrater.
"Oh, mein See, mein See!" ruft er entsetzt, "man muß etwas unternehmen". Aber es gibt bis heute keine konkreten Vorschläge.