Goldbehälter und Stein-Schatulle: Die Gebeine sind das Gold der Batak
Die Stein-Urnen der Toba-Batak scheinen mir älter zu sein als die Sarkophage und ev. mit den Mörsern die ersten Megalithen der Toba-Batak zu sein, wenn man diesen Begriff gebrauchen will. Die ältesten Urnen sind nur kniehoch; das reichte, um mehrere Schädel und eventuell einige Knochen der Extremitäten jener Vorfahren zu bergen, die hier nach ihrer Verwesung sekundärbestattet wurden. Eventuell konnten beim Verlassen eines Dorfes und seiner Neugründung an anderer Stelle – ein gängiger Lebensstil der früheren Batak – diese Ahnenbehälter mitgenommen werden.
Diese Urnen zeigen eine hohe künstlerisch-harmonische Form; sie sind rundum komplett behauen. Ihre Konstrukteure, die Künstler-Steinmetze, waren mit Namen weithin bekannt. Einerseits erfüllten die Urnen den praktischen Zweck der dauerhaften Aufbewahrung der Gebeine, andererseits erhöhten sie das Prestige der Marga (des Klans) und waren – durch ihre inneliegenden Gebeine – Fokus der gesellschaftlichen Rituale zur Verehrung der Ahnen und Fruchtbarkeit. (Hinweisen möchte ich hier nur kurz auf die vorchristliche Sitte der Präsentation und Färbung der Schädel, ihre Fütterung mit Reiswein und Fleisch anlässlich kollektiver Feste wie zum Wechsel des Reisjahres.)
Sie spendeten den Bauherren, die darin ihre Vorväter und -mütter bestatteten, hohe Ehre. Denn während des gesamten Herstellungsprozesses der Urne bis zum Einbetten der Schädel hatten sie festliche Schlachtungen und kommunale Feiern durchzuführen.
Es konnte aber auch bereits zu Lebzeiten ein Raja für sich selbst den Bau einer Urne bzw. eines Sarkophages veranlassen.
Bis heute sind die Initiatoren dieser steinernen Kunstwerke im Gedächtnis der Marga bekannt. Detaillierte Stammbäume, die im nicht niedergeschriebenen Wissen der Ältesten bewahrt werden, lassen daher ihr Alter ungefähr zurückrechnen.
So ist die Urne der Simalango in Sidihoni von Guru Sulam geschnitzt worden. Sie misst ca. 1,15 m Gesamthöhe und hat unten einen Deckel-Durchmesser von ca. 1,10 m. Der Auftraggeber war Ompung Parlian Gumorok Simalango. Er lebte vor 5 Generationen und ließ die Urne als Zweitbestattungsbehältnis für seinen Ur-Ur-Großvater Ompung Sawangin errichten, der 4 Generationen vor ihm lebte.
Ompung Sawangin war der erste Siedler bei Lumbanbolon im Gebiet Sidihoni am gleichnamigen See. Die Gebeine der Söhne, Enkel und Urenkel jenes ersten Siedlers ließ Ompung Parlian Gumorok exhumieren und ebenfalls in die Urne mit hineinlegen. Darin befinden sich, so meine Aufzeichnungen zusammen mit dem Adat-Spezialisten Ama ni Roma Simalango, die Knochen von 24 männlichen Vorvätern zuzüglich ihrer Gattinnen von Ompung Gumoroks 4 vorhergehenden Generationen. Folglich ungefähr 50 Schädel. Vor einigen Jahren haben Verwandte der Marga Situmorang (ihre Tulang) einige Gebeine für eine Zweitbestattung der Situmorang entnommen. Seither sei der Deckel stärker verrutscht, erzählt man sich.
Die Festlichkeiten der Simalango anlässlich der Umbettung der Gebeine von Ompung Sawangin in die Urne sollen drei Monate gedauert haben, erzählen sich heute noch die Ältesten. Von ihnen aus gesehen – auch für Ama ni Roma Simalango – ist die Urne vom Großvater bzw. Großonkel erbaut worden.
Das Alter der Urne kann daher auf ungefähr 150 -175 Jahre geschätzt werden. (5 x maximal 35 J./Gen.). Ich würde das Datum ihrer Herstellung damit um 1860 sehen. Bei der Schätzung darf hier nicht Ompung Sawangin aus der 9 Generationen, für den der Behälter gebaut wurde, herangezogen werden.
Die Batak auf und um Samosir nennen ihre Urnen Batu Parmasan oder Batu Paromasan: Goldbehälter! Von Malay. „emas“ = Gold.
Die Ahnenknochen sind ihr Gold! Urnen und Sarkophage sind die Schatz-Schatullen.