Stein-Schatullen für das Knochen-Gold
Sarkophage und Urnen werden NICHT mehr hergestellt. Sie hatten wohl ihre stilistische und technische Hochblüte vor ca.350 bis 200 Jahren. Eindeutig sind künstlerische Vorlagen um Samosir herum zu erkennen, die von anderen Steinmetzen in minderer Qualität kopiert wurden.
Ich vermute, es wird auch keine noch älteren Urnen und Sarkophage im archäologischen Sinne auszugraben geben, da die Batak bis heute mit ihren Schatzbehältern aktiv leben. Sie ehren sie als Bestattungsplätze und Besiedlungsmarkierungen bis heute. Von daher fällt mir kein Grund ein, warum sie – unter normalen Umständen – dem Zahn und Staub der Zeit hätten überlassen werden sollen.
Einige Urnen und Steinsarkophage wurden zu Beginn des letzen Jahrhunderts aufgrund der Hygienegesetze der Niederländischen Verwaltung zwangsversetzt. Eventuell sollte hierüber auch die Eigenwilligkeit und latente Widerständigkeit der Batak gebrochen werden. Mündliche Berichte erzählen auch vom zwangsweisen Öffnen und Bestatten der Inhalte.
Die Sitte, honorable Personen nach ihrem Ableben in Holzsärgen unter dem Dachtrauf aufzubewahren bis sie fleischlich verwest waren, und dann erst die zweite Phase einer Bestattung durchzuführen – z.B. das Einlegen in einen Sarkophag – wurde komplett verboten. Der alte Name des Bestattungsfestes jedoch, Horja Turun (turun = herunterholen) weist noch auf das Herabnehmen der Särge vom Dachtrauf oder der oberen Balustrade im Hausinnern hin. Die neue Bezeichnung für Zweitbestatten ist inzwischen Mangongkal Holi (Ausgraben der Knochen aus der Erde).
Für Batak mag der Begriff Zweitbestattung fehl am Platze sein. Nach ihrer alten Auffassung war ein Mensch erst dann vollständig verwest, wenn sein Fleisch verfault und von den Knochen getrennt war. (Vgl. Hertz). Die erste Phase des Abschiednehmens bestand im Beibehalten des Leichnams am Wohnort der Lebenden; die zweite Phase des Einlegens der Gebeine in ein anderes Behältnis war dann die eigentliche – in batakscher Sicht – erste Bestattung. Erst blanke Gebeine werden zu Knochengold.
Heute zeigt sich im Umgang mit den Schatzbehältern eine Wendung. Batak versetzen die Urnen und historischen Sarkophage hin zu ihren mit Beton erbauten, modernen Mausoleen. Sie verschönern ihre historischen Stein-Schatullen mit Mörtel, Farbe und nachgeahmten Stilelementen ähnlicher Vorbilder oder setzen sie auf Betonsockel.
Und trotzdem: Da die Überarbeitung der historischen Steinurnen und -sarkophage und ihre Zusammenführung mit modernen Betonmausoleen nur im Rahmen von großen Zweitbestattungsfesten mit kollektivem Charakter stattfindet, ist die Megalithkultur im Sinne eines bedeutungsträchtigen, rituellen Lebens MIT Stein weiterhin lebendig.
Allerdings hat sich die bataksche, gegenwärtige Megalithkultur zu einer neuartigen Megalith-Beton–Hybridkultur gewandelt. Sie boomt. Die Verwendung und der Einsatz von Beton haben eine ganz neue Dynamik gefunden.