Die traditionelle Batak Gesellschaft
Die Batak Gesellschaft, der Nommensen begegnete, war eine komplexe Gesellschaft. Sie war keineswegs primitiv, ungebildet und unzivilisiert im eigentlichen Sinn.
Jedes Individuum ist durch Geburt oder Heirat Mitglied eines Klans. Das Dorf garantiert Bürgerrechte und Verantwortung auf dem Prinzip der Verbindung von Klan, Territorium und Recht. Der Dorfchef, Raja, ist Leiter der sozialen und wirtschaftlichen Angelegenheiten des Dorfes, er soll in höflichen Diskussionen Einigkeit erreichen, kann auf der Grundlage des überlieferten Adat-Rechts aber auch eigene Entscheidungen fällen. Bündnisse wie Horja und Bius regeln innere und äußere Angelegenheiten.
Das Adat bzw. Gewohnheitsrecht reflektiert die Weltanschauung und enthält das Ideal der Entwicklung von individuell und gesellschaftlich agierenden realen perfekten Menschen. Kinder zu haben ist der höchste Wert der Familie und als solcher mit den drei wichtigsten Idealen Reichtum, Fruchtbarkeit und Ehre verbunden. Land und Kinder bedeuten Reichtum; Reichtum gibt den Mitgliedern eines Dorfes Ansehen und Ehre. Der Klan, der fruchtbar ist, Reichtum und Ehre hat, besitzt Kraft und Macht, im Sinne von physischer, natürlicher und übernatürlicher, geistiger Macht.
Die Grundsätze, die dem Mythos und der mündlich überlieferten Tradition entsprechen, sind Glaube an Gott, die Blutsverwandtschaft bewahren, Regeln befolgen, das Gesetz und die hohe Stellung des Adat respektieren und befolgen. Die Erziehung der Kinder entspricht den Hauptkategorien moderner, westlicher Erziehungswissenschaften, nämlich Werte, Wissen und Fertigkeiten zu vermitteln.
Der Datu verfügt über ein professionelles und spezielles Wissen, welches nicht öffentlich weitergegeben wird. Er wird verehrt und gefürchtet, er beherrscht Techniken der guten und bösen Zauberei, kann schreiben , lesen, heilen, die Zukunft vorhersagen, hat Kenntnisse über Astrologie, Klima, Wetter, diagnostiziert Krankheiten und kann Verbindungen zu Geistern der Vorfahren herstellen.10
Zusammenfassung
Zum Zeitpunkt der Missionierung handelte es sich beim Volk der Batak um eine hoch differenzierte, komplexe Gesellschaft, die alle Bereiche des Lebens durch entsprechende Fähigkeiten, Erkenntnisse und vorhandenes Wissen regelte. Die Missionare, die in Kotakt mit diesem Volk traten, waren aufgrund ihrer Ausbildung sicher in der Lage das zu erkennen und zu respektieren. Ihr Auftrag war klar vorgegeben, sie mussten evangelisieren, um das Reich Gottes vorzubereiten.
Dieses Motiv entspricht der pietistischen Bewegung, deren Anliegen es war, aktiv Heiden vom Christentum zu überzeugen. Nur Christen können am Reich Gottes teilhaben und dürfen auf ewige Seligkeit hoffen. Jeder Missionar, der von pietistisch geprägten Missionsgesellschaften entsandt wurde, hatte die Aufgabe Heiden zu erweckten und zu Christen zu bekehren. Der persönliche tiefe Glaube und die Vorbereitung im Seminar ermöglichten den Missionaren diese Aufgabe wahrzunehmen.
Die Kultur der Batak war wahrscheinlich zumindest theoretisch bekannt, da es Reiseberichte, Berichte von Kolonialbeamten, Forschern, Literaten und Angestellten der Niederländischen Kolonialregierung und auch Berichte anderer Missionsgesellschaften und speziell die Schriften von Van der Tuuk gab. Nommensen als erster Missionar im Toba-Batak Gebiet kannte die Berichte von Van der Tuuk.
Nommensen war von seiner Mission sicher überzeugt, er wollte aus eigenem Antrieb Missionar werden und hatte ein Erweckungserlebnis gehabt. Er muss eine außergewöhnliche Persönlichkeit gewesen sein, da er es verstand, auf die Kultur der Batak einzugehen und so seine Missionsaufgabe verwirklichen konnte.
Die Kolonialmacht der Niederländer war für diverse Ansprüche der Mission wie Verkehrsmittel, Briefverkehr, geografische und wirtschaftliche Kenntnis des Landes und die Duldung des Aufenthaltes im Kolonialgebiet und im unabhängigen Gebiet im Landesinneren sicher wichtig. Zudem gestattete die Kolonialregierung keine Missionierung in muslimischen Gebieten. Die Christianisierung von Heiden wird von Bedeutung gewesen sein, da Menschen mit europäischen Verhaltensweisen besser einzuschätzen und in Arbeitsprozesse integrierbar sind.
Der Erfolg der christlichen Mission im Batak Land ließe sich dadurch erklären, dass möglicherweise Teile der christlichen Ethik, Moral und Glaubenspraxis sich von den traditionellen Gegebenheiten nicht so sehr unterschieden.
Die Batak waren zur Zeit der ersten Kontakte mit christlicher Mission vermutlich in einer „Aufbruchsituation“, da muslimische Kräfte näher rückten und sich die Gesellschaft außerhalb ihres Gebietes aufgrund der Einwirkungen der Kolonialmacht veränderte. Auch das könnte ein Interesse an neuen Inhalten und Lebensstrategien erklären.
Die Batak zeichneten sich dadurch aus, dass sie Neues und Praktisches in ihr Lebensgefüge und Weltbild integrierten. Das christliche Gedankengut konnten sie in diversen Teilen annehmen und verloren damit nicht ihre eigene Identität. Auch heute orientieren sie sich in den wesentlichen Lebensabschnitten wie Hochzeit und Bestattung am Adat-Recht.
Fußnoten
1. Altena, Thorsten: „Ein Häuflien Christen mitten in der Heidenwelt des dunklen Erdteils.“ Zum Selbst- und Fremdverständnis protestantischer Missionare im kolonialen Afrika. 1884-1918. Münster, 2003, S.16-20.
2. Lehmann, Hartmut (Hrsg.): Geschichte des Pietismus. Bd. 4: Glaubenswelt und Lebenswelten. Göttingen, 2004, S.166-176.
3. Altena, Th.: „Ein Häuflein Christen...“ S.22.
4. Gleixner, Ulrike: Pietismus und Bürgertum. Eine historische Anthropologie der Frömmigkeit. Göttingen, 2005, S. 26.
5. Lehmann, H.: Geschichte des Pietismus. S. 49-65.
6. Weber, Max: Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie. 1. Aufl., Tübingen, 1988, S. 94-102.
7 Altena, Th.: „Ein Häuflein Christen...“. S. 101-117.
8. Aritonang, Jan, S.: Mission schools in Batakland (Indonesia) 1861-1940. Leiden, New York, Köln, 1944, S.1-6
9. Hummel, Uwe: Beiträge zu: Feier zum 175. Geburtstag von Ludwig Ingwer Nommensen am 6.2.2009 im Missionshaus der VEM in Wuppertal. Zur Verfügung gestellt von Herrn Apelt, VEM.
10. Aritonang, J.: Mission schools... S. 35-50.
Literatur
Altena, Thorsten: „Ein Häuflein Christen mitten in der Heidenwelt des dunklen Erdteils“. Zum Selbst- und Fremdverständnis protestantischer Missionare im kolonialen Afrika 1884-1918. Münster, 2003.
Aritonang, Jan, S. Mission schools in Batakland (Indonesia) 1861-1940. Leiden, New York, Köln, 1944.
Gleixner, Ulrike: Pietismus und Bürgertum. Eine historische Anthropologie der Frömmigkeit. Göttingen, 2005.
Hummel, Uwe: Beiträge zu: Feier zum 175. Geburtstag von Ludwig Ingwer Nommensen am 6. 2. 2009 im Missionshaus der VEM in Wuppertal. Zur Verfügung gestellt von Wolfgang Appelt, VEM.
Lehmann, Hartmut (Hrsg.): Geschichte des Pietismus. Band 4. Glaubenswelt und Lebenswelten. Göttingen, 2004.
Weber, Max: Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie. 1. Aufl., Tübingen, 1988.
Seminar: Mission und Kolonialismus in Niederländisch Indien, Mai 2010
Fern-Universität Hagen, Fakultät für Kultur- und Sozialwissenschaften; Prof. Dr. Reinhard Wendt
Referentin: Anne-Rose Kalb-Pachner; Lichtenstein
Ort der Vortragung: Salib Kasih, 23.5.2010, Sumatra
Veröffentlicht im November 2010 im Sidihoni Verlag Online; Redaktion Ch. Schreiber
© Copyright der Farbfotos: Annerose Kalb-Pachner
© Historische Fotos: KIT Niederlande;
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