'Hati-Hati ada longsor!'
Sonntag, 17. November 2013
Wir sind wieder unterwegs, haben die Insel verlassen und schliesslich auch Banda. Nachdem schon alles gepackt war, klagt Sima mal wieder ueber Ohrenschmerzen. Nichts besonderes, kommt wahrscheinlich vom vielen Baden in Iboh, dachten wir bislang. Patrice hatte aber heute morgen eine Zecke in der Ohrmuschel und so schauen wir besser mal nach. Tatsache: alles schwarz! Die Zecke sitzt genau im Gehoergang, igitt! Schon bei einer leichten Beruehrung schreit sie los.
Bei Dr. Rusly, einem HNO warten wir zwar 2 Stunden, seine eigenen Oeffnungszeiten scheinen ihn nicht sonderlich zu interessieren, zudem muss er zwischendurch beten, aber immerhin zieht er das fette Vieh gekonnt raus und verschreibt beiden Patienten eine ganze Palette Medikamente, unter anderem Antibiotika, damit es sich nicht infiziert.
Wir wollten uns in Banda nochmal intensiv um den Brief fuer den Zoll kuemmern, damit wir Pingu hier lassen koennen. Wir treffen Eddy vom VW Club Aceh, den wir vor 2 Jahren im Taman Sari kennenlernten. Es war nicht einfach, ihn zu finden, da sich seine Handynummer geaendert hatte. Es ist ein sehr netter Abend, wir sitzen fast bis 12 und reden ueber alte Autos und dies und das, aber zu unserem Problem kann er recht wenig beitragen. Wir muessen versprechen, ihm ein deutsches Nummernschild fuer seinen alten Kaefer zu besorgen, nur so zum Spass.
Eine Cousine von Feni ist Vorstandsmitglied in mehreren Firmen und will uns gerne helfen. Da ihre Sekretaerin gerade in Palembang ist, schlaegt sie vor, gleich zum Notar zu gehen, um den Brief aufzusetzen. Der Notar doziert eine halbe Stunde ueber Schwierigkeiten unseres Vorhabens und da wird Yunda unsicher. Was, wenn die anderen Mitglieder nicht damit einverstanden sind, das Auto Feni zu ueberlassen? Wir fahren also ohne Brief los, Feni meint sie wuerde spaeter nach Medan kommen. Vielleicht kann man ja doch ein bisschen Geld unter dem Tisch.....
Takengon, unser naechstes Ziel liegt im Gayo-Hochland an einem See und ist die Hauptstadt des Kaffeeanbaus in Aceh. Zu Zeiten des Krieges war Takengon Hochburg der GAM-Rebellen, heute merkt man davon zum Glueck nichts mehr. Der See traegt zur Idylle des Ortes bei, nur abends sitzen wir frierend im Vliesspulli im Warung. Agiel, der uns ein paar Tage begleiten wollte, nimmt praeventiv Medikamente gegen Grippe, man weiss ja nicht, bei der Kaelte.
Wir fahren um den See, schauen uns eine Tropfsteinhoehle an und essen leckeren Flussfisch. Die sehr heissen Quellen sind geeignet, um die fehlende Dusche zu ersetzen- auf 1100m Hoehe geht ein kaltes Mandi einfach gar nicht, nennt uns verfroren, meinetwegen. Ausserdem gibt es nach dem Bad guten Gayo-Kaffee.
Was jetzt kommt faellt unter die Rubrik: was wir auf keinen Fall ein zweites Mal tun wuerden, nicht mal fuer viel Geld. Wir stehen um 6 Uhr auf und bringen Agiel zum Busbahnhof. Dann geht es weiter nach Ketambe, einem Ort in Sued-Aceh mitten im Dschungel des Gunung Leuser Nationalparks. Das sind ca. 250 km durch die Berge, ueber mehrere Paesse bis 2000m Hoehe. Auf unserer etwas veralteten Strassenkarte ist die Strasse als 'geplant' eingezeichnet, nach mehrmaligem Fragen sogar tatsaechlich vorhanden. In Sabang warnt man uns aber: der Zustand ist schlecht, da es oft Erdbeben gibt ist die Strasse staendig kaputt. Was fuer eine Untertreibung!
Gleich nach Takengon gehts den Berg rauf zum ersten Pass, die Strasse ist schmal wie ein Feldweg aber 'noch' asphaltiert. Wir sind froh, frueh losgefahren zu sein, haben wir doch bis jetzt keinen Gegenverkehr. Wieder im Tal das erste schlechte Stueck, Steine und tiefe Loecher, wir fahren im Schrittempo. Es geht weiter durch eine tiefe Schlucht, die Landschaft ist wirklich einmalig. Da kommen wir an einem Schild vorbei 'Hati-Hati ada longsor' steht darauf: Achtung Erdrutsch! Links ist der Hang abgerutscht, rechts geht es senkrecht runter in den Fluss, eine Strasse ist kaum mehr erkennbar. Dieses Schild sollen wir noch oft sehen bis Ketambe. Es kommen jetzt mehr Autos entgegen und natuerlich moechte keiner an solchen Stellen ausweichen. Auch umgestuerzte Baeume liegen oft ueber der Strasse, nur provisorisch zur Seite geschoben. Patrice muss fast die ganze Strecke fahren, da ich es nur noch mit viel Muehe schaffe, den ersten und zweiten Gang einzulegen. Stellenweise geht es so steil den Berg rauf, dass man es nur im 1. Gang bewaeltigen kann. Spaeter in Ketambe stellt sich heraus, dass eine Gummikugel an der Schaltung abgesprungen war.
Weiter geht es steil bergab in die naechste Schlucht. Im letzten Moment sehen wir die bruechige Bruecke mit Holzplanken. Haelt sie oder haelt sie nicht? Wir zittern kurz und fahren vorsichtig darueber. Dann der naechste Schock. Am Ende der Bruecke sehen wir den riesigen Absatz von mindestens 30cm und danach grosse Kieselsteine, was wohl die Strasse sein soll. Wir werden nicht sofort in die Tiefe stuerzen, sondern erst den ganzen Unterboden aufreissen. Wir schauen uns an, fluchen leise vor uns hin und fahren durch. Spaetestens nach dieser Stelle fuehlen wir uns als Teil eines grossen Abenteuers.
Dann, ein Stueck weiter, unsere Nerven sind schon uebermaessig angespannt und wir kaempfen gerade damit, Vasco zu erklaeren, dass wir jetzt keine Kinderlieder-CD einlegen werden, weil Papa sich konzentrieren muss, Strasse gesperrt! 2 grosse Bagger schieben Erde weg. Offensichtlich ist grade vor uns der Hang abgerutscht. Man war noch nicht mal dazu gekommen, das wohlbekannte Schild aufzustellen, wir muessen erst mal warten. Das ganze sieht uebel aus, die Strasse ist komplett weg, nur noch Schlamm und an der Seite broeselt immer noch Erde runter. Ich versetze mich in die Situation der Baggerfahrer, eine falsche Schaufelbewegung und weg sind sie, von Gefahrenzulage spricht hier bestimmt keiner. Ganz vorsichtig fahren wir ueber den Dreck. Eine halbe Stunde vor unserem Ziel kommen wir in eine Polizeikontrolle. Der dicke Beamte fragt uns, wo wir herkommen. Aus Takengon, soso, sagt der Blick, koennt ihr das beweisen? Wir fragen bei der Gelegenheit gleich nach dem Strassenzustand bis Ketambe. 'Erdrutsche? Nein, nein, das gibt es keine mehr', versichert er uns. Trotzdem sehen wir besagtes Schild noch mindestens dreimal.
Endlich in Ketambe, voellig am Ende, warten wir darauf, dass jemand gerannt kommt und uns einen Orden verleiht oder zumindest Patrice die Hand schuettelt, dass er das Leben seiner Kinder erhalten hat - nichts dergleichen, nur ein freundlicher Empfang im Sadar Wisata Guesthouse, schoen, dass ihr da seid!
Am naechsten Abend, wir haben gerade notduerftig mit Klebstoff unsere Schaltung wieder in Gang gesetzt, kommt Amanda aus den USA hier an. Sie kam mit dem Bus aus Takengon. Die Fahrt war die Hoelle, meint sie, was uns nicht mehr ueberrascht. Unterwegs hat sie 2 abgestuerzte LKWs und einen toten Fahrer gesehen. Das war dagegen neu, die waren gestern noch nicht da, denken wir und hoeren weiter den Geschichten von kotzenden Kindern und Reifenpannen zu.