Durchs wilde Kurdistan
Dienstag, 28. Mai 2013
Schier endlos dauert die Fahrt durch die mesopotamische Steppenlandschaft. Dann stehen wir in Diyarbakir, einer Stadt mit fast einer Million Einwohner, also etwas groesser als Stuttgart. Hatten wir uns noch am Nemrut gefragt, wo genau denn die tuerkischen Kurden leben und nur soviel herausgefunden, dass 7 Millionen in Ostanatolien verteilt leben und weitere 7 Millionen im Rest der Tuerkei. So ist uns jetzt klar: Diyarbakir ist das Zentrum des kurdischen Widerstands und die inoffizielle Hauptstadt der tuerkischen Kurden.
Kleine dezente Hinweise verraten uns, dass es in der Stadt weder in der nahen Vergangenheit noch in der Gegenwart besonders ruhig ist. Gleich in einem Vorort sehen wir eine Demonstration und sind froh, dort nicht zu Fuss unterwegs zu sein. In der Altstadt kommen wir an einem voellig ausgebrannten Schuhladen vorbei und in einer der vielen kleinen Gassen sieht es aus, als haette es eine Explosion gegeben, ueberall liegen Truemmer auf der Strasse. Wir sehen mehrere Panzerwagen und schwer bewaffnete Polizisten schlendern herum und laecheln uns freundlich an. Die Kampfjets und Militaerhubschrauber, die zudem ueber uns hinwegfliegen sind aber wohl eher mit dem Krieg in Syrien als mit dem Kurdenkonflikt beschaeftigt. Trotz dass wir die Grenze zu Syrien versuchen weitraeumig zu umfahren, treffen wir auch hier viele Fluechtlinge.
Diyarbakir hat einige Sehenswuerdigkeiten, ganz an der Spitze die massive schwarze Stadtmauer aus der Roemerzeit. Mit 6 km Laenge soll sie die zweitlaengste Mauer nach der chinesischen Mauer sein. Dann die Ulu Camii, eine Moschee erbaut von den Sedschuken, fast ebenso massiv wie die Mauer und mit quadratischem Grundriss, was fuer eine osmanische Moschee eher ungewoehnlich ist. Mit Kopftuch darf ich mir sogar den Maennerbereich anschauen und Fotos machen! Dann gibt es noch 2 schoen renovierte Kerawansereien, die eine ist noch immer ein Hotel und hatte frueher Platz fuer 80 Kamele, die andere beherbergt Laeden und Cafes.
Der Basar ist riesig und es gibt sogar eine ganze Halle nur fuer Kaese und Oliven.
Wir finden recht schnell einen bewachten Parkplatz in einem Hinterhof in der Altstadt, fragen, ob wir uebernachten koennen, die Antwort ist mal wieder ein Chay. Nach 3 Chays kommt einer der Maenner mit einer grossen Pfanne eines Lammgerichts, die anderen Maenner setzen sich im Kreis um die Pfanne und wir werden gebeten, uns doch dazuzusetzen und mitzuessen. So lernen wir schon mal das kurdische Wort fuer 'Danke'. Das werden wir in der Stadt noch oefter brauchen, staendig gibt es fuer die Kinder etwas geschenkt, als wir ueber den Markt schlendern, finden wir einen Laden, der Seile verkauft. Wir wickeln 4 m ab fuer unsere Haengematte und fragen nach dem Preis. Der Mann zeigt auf Vasco und meint: for him.
Immer noch wenig Erfolg haben wir mit unserer Suche nach Spiritus. In einem Laden versichert man uns, es gaebe 'Ispirto'. Ich schaue mir die Flasche mit der lila eingefaerbten Fluessigkeit an und darauf steht zwar nur tuerkisch, aber methylalkohol ist wohl international verstaendlich. Nicht auszudenken, unsere Kinder erwischen einen Schluck davon...
Im Park werden wir oefter um Geld angebettelt, hauptsaechlich von Kindern, irgendwann setzt sich eine alte Frau zu mir auf die Bank und spricht kurdisch mit mir. Als sie merkt, dass ich nichts verstehe, zeigt sie mit der Hand auf meine Ringe. Die Bettler denken offensichtlich ich waere reich wegen ein paar Silberringen. Das kann man zum Glueck schnell aendern. Und tatsaechlich, von jetzt an ist Ruhe.
Alles in allem haben wir uns wohl gefuehlt in Diyarbakir und die Kurden als sehr gastfreundliches Volk erlebt. Das orientalische Flair kann man an jeder Ecke der Stadt geniessen.